Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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Rejecting the validity of inferred attributions of incompetence in German talk-in-interaction
(2024)
This paper deals with pragmatic inference from the perspective of Conversation Analysis. In particular, we examine a specific variety of inferences - the attribution of incompetence which Self constructs on the basis of Other's prior action, hearable as positioning Self as incompetent (e.g., instructions, offers of assistance, advice); this attribution of incompetence concerns Self's execution of some practical task. This inference is indexed in Self's response, which highlights Self's expertise, or competence concerning the task at hand. We focus on two recurrent types of such responses in our data: (i) accounting for competence through formulations of prior experience with carrying out a practical action and (ii) explicit claims of competence for accomplishing this action. We analyze the interactional environments in which these responses occur, the ways in which the two practices index Self's understanding of being positioned as incompetent and the interactional work they do. Finally, we discuss how through rejecting and inferred attribution of incompetence, Self implicitly seeks to restore their face and defend their autonomy as an agent, yet, without entering an explicit identity-negotiation. Findings rest on the analysis of 20 cases found in video-recordings of naturally occurring talk-in-interaction in German from the corpus FOLK.
Seit 1977 wird in Deutschland jedes Jahr ein Wort bzw. eine Wortsequenz zum „Wort des Jahres“ gekürt. Vorgenommen wird die Wahl von einer Jury, die sich aus Mitgliedern der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) zusammensetzt. In der deutschsprachigen Schweiz gibt es eine solche Aktion ebenfalls (seit 2003); inzwischen wird das Wort des Jahres aber nicht mehr nur auf Deutsch, sondern auch auf Französisch, Italienisch und Rätoromanisch gewählt. Wenn im Folgenden vom „Schweizer Wort des Jahres“ die Rede ist, ist damit aber immer nur das Deutschschweizer Jahreswort gemeint. Durchgeführt wird die Aktion von einem Forschungsteam, das an der Zürcher Hochschule für Angewandte Linguistik (ZHAW) tätig ist.
Jeden Tag finden weltweit über 40 innerstaatliche Konflikte und Kriege statt. Nach dem letzten Stand (14.11.2022) werden in Subsahara-Afrika 13, im Nahen Osten und in Nordafrika zehn und in Asien ebenfalls zehn Konflikte erwähnt. Aus Europa und Lateinamerika wird jeweils über fünf Konflikte berichtet. 2023 kam es zu neuen Konflikten und Kriegen in der Welt, über die jedoch noch keine Statistik vorhanden ist. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aber seit Anfang 2022 in den Weltmedien omnipräsent geworden. Somit wurde der Begriff Krieg auf verschiedene Weise in vielen internationalen Kontexten und Textquellen interpretiert und umschrieben, dann aber deutlich zum Ausdruck gebracht.
Das nationalsozialistische Mobilisierungsregime war darauf angelegt, Zeitgenoss:innen zu Positionierungshandlungen zu bewegen: vom allfälligen ‚Hitlergruß‘ über die Mitwirkung bei Parteiorganisationen oder Spendensammlungen bis hin zur Anleitung zur Selbstreflexion in Tagebüchern nationalsozialistischer Schulungslager. Allerdings sollte eine solche Aufforderung zur affirmativen Positionierung nicht allein als Zwang verstanden werden, denn dies würde ausblenden, dass viele Zeitgenoss:innen tatsächlich Anhänger:innen des Nationalsozialismus waren oder dem nationalsozialistischen Gesellschaftsprojekt zumindest nicht grundsätzlich oder in allen Punkten ablehnend gegenüberstanden. Demzufolge scheint es treffend, eine je nach Kommunikationssituation und Akteursposition variierende Mischung aus Positionierungsdruck und -bedürfnis für den hier untersuchten historischen Kontext anzunehmen.
Sprachpolitik war in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 nie ein größeres Thema in Wahlkämpfen. Seit der Bundestagswahl 2017 hat sich dies jedoch geändert. Damals waren unter dem Eindruck des großen Migrationsandrangs im Jahr 2016 von einigen Parteien Positionen zu sprachlicher Integration in die Wahlprogramme aufgenommen worden. Unter Positionen sei hier der explizite sprachliche Ausdruck einer Haltung zu einem politischen Thema bzw. Themenbereich zu verstehen, der unter anderem im Rahmen von parteilichen Grundsatz- und Wahlprogrammen Orientierung hinsichtlich des (zukünftig zu erwartenden) politischen Handelns parteilicher Akteur/-innen bieten soll. Und auch die zunehmende Diversität der deutschen Gesellschaft führte schon bei der Wahl im Jahr 2017 zu einer Berücksichtigung von Themen der sprachlichen Bildung in der Programmatik der Parteien. Dieser Beitrag untersucht somit die Grundsatz- und Wahlprogramme der größten Parteien anhand der sprachpolitischen Ausdrucksweise.
Die »Prestigeveranstaltung Olympische Spiele« (ebd.) war Gegenstand eines höchst komplexen multimodalen und multimedialen, in allen semiotischen Dimensionen stattfindenden Diskurses. Aus kulturlinguistischer Sicht war der Diskurs der Olympischen Spiele von 1936 ein sprachliches Realisat, in dem sich Faktoren einer sprachlichen Sozialgeschichte verdichteten. Der Hauptfokus ist im Folgenden auf die Frage gerichtet, wie und mit welchen kommunikativen Praktiken Beteiligte aus entgegengesetzten Diskurspositionen auf die Olympischen Spiele Bezug nahmen, um die aufgrund je spezifischer Haltungen zu den Spielen konträren Ereigniskonstitutionen ›olympische Sommerspiele‹ sichtbar zu machen.
Gegenstand des nachfolgenden Beitrags sind emotionale Positionierungen. Auf der Grundlage dieser Egodokumente, die 1934 entstanden sind und die von den Jahren vom Ersten Weltkrieg bis zum Jahr 1934, mit der Kernzeit der Weimarer Republik, erzählen, wird nach der Funktion von Gefühlsthematisierungen gefragt. Dabei wird vorausgesetzt, dass gerade in der sogenannten »Bewegungsphase« der NSDAP, der Phase des Aufstiegs zwischen Mitte der 1920er Jahre bis zur Machtübergabe 1933, bei aller Politisierung der Akteure dennoch Emotion und Affekt von großer, den Nationalsozialismus stabilisierender Bedeutung waren. Der nachfolgende emotionsgeschichtlich orientierte Versuch wird also auf der Grundlage retrospektiver sprachlicher Konstituierungen seitens der NSDAP-Mitglieder nach 1933 rekonstruiert. Sie formulieren diese Retrospektiven nach dem aus ihrer Sicht erfolgreichen Ende des »Kampfes«.
Olaf Scholz gendert. Eine Analyse von Personenbezeichnungen in Weihnachts- und Neujahrsansprachen
(2022)
Schlagzeilen wie die in unserer Überschrift blieben im Januar 2022 aus. Dabei enthielt die erste Neujahrsansprache von Olaf Scholz kein einziges generisches Maskulinum, sondern Doppelformen (Mitbürgerinnen und Mitbürger, Expertinnen und Experten), geschlechtsabstrahierende Ausdrücke (Eltern, Familien, Geimpfte, Menschen) und Personalisierungen bzw. Umschreibungen wie uns allen, es haben sich 60 Millionen […] impfen lassen, oder ich möchte allen danken. Die Rede nutzt somit durchgängig verschiedene Formen geschlechtergerechter Sprache, wohl aber so unauffällige Formen, dass dies keine mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Nebenbei: Dies zeigt, dass es bei den hitzigen öffentlichen Diskussionen rund um das Thema nicht um alle Formen geschlechtergerechter Sprache geht, sondern eigentlich nur um bestimmte Formen, wie z.B. die Verwendung des Gendersterns. Wir stellen hier einige Beobachtungen basierend auf einem annotierten Korpus von Ansprachen vor, die Sie selbst anhand einer Online-App nachvollziehen können.
In den letzten Jahren haben sich einige Themen mit Bezug zur deutschen Sprache zu sprachpolitischen Kontroversen entwickelt, die heute mit großer Intensität diskutiert werden. Es handelt sich um Themen wie das der geschlechtergerechten Sprache, das durch verschiedene rechtliche und publizistische Impulse eine immer noch wachsende Präsenz in Medien und Öffentlichkeit besitzt. Auch das Thema des sogenannten politisch korrekten Sprachgebrauchs führt zu polarisiert geführten Debatten. Der vorliegende Beitrag will diese Debatten in ihren Grundzügen nachzeichnen und dabei zeigen, wie diese Themen vermittelt über die Medien und den «Verein Deutsche Sprache» ihren Weg bis in die politische Sphäre gefunden haben. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist es wichtig, die Grenzen des Politischen so zu ziehen, dass die Sprache selbst in derartigen Kontroversen keinen Schaden nimmt.
This thesis is a corpus linguistic investigation of the language used by young German speakers online, examining lexical, morphological, orthographic, and syntactic features and changes in language use over time. The study analyses the language in the Nottinghamer Korpus deutscher YouTube‐Sprache ("Nottingham corpus of German YouTube language", or NottDeuYTSch corpus), one of the first large corpora of German‐language comments taken from the videosharing website YouTube, and built specifically for this project. The metadatarich corpus comprises c.33 million tokens from more than 3 million comments posted underneath videos uploaded by mainstream German‐language youthorientated YouTube channels from 2008‐2018.
The NottDeuYTSch corpus was created to enable corpus linguistic approaches to studying digital German youth language (Jugendsprache), having identified the need for more specialised web corpora (see Barbaresi 2019). The methodology for compiling the corpus is described in detail in the thesis to facilitate future construction of web corpora. The thesis is situated at the intersection of Computer‐Mediated Communication (CMC) and youth language, which have been important areas of sociolinguistic scholarship since the 1980s, and explores what we can learn from a corpus‐driven, longitudinal approach to (online) youth language. To do so, the thesis uses corpus linguistic methods to analyse three main areas:
1. Lexical trends and the morphology of polysemous lexical items. For this purpose, the analysis focuses on geil, one of the most iconic and productive words in youth language, and presents a longitudinal analysis, demonstrating that usage of geil has decreased, and identifies lexical items that have emerged as potential replacements. Additionally, geil is used to analyse innovative morphological productiveness, demonstrating how different senses of geil are used as a base lexeme or affixoid in compounding and derivation.
2. Syntactic developments. The novel grammaticalization of several subordinating conjunctions into both coordinating conjunctions and discourse markers is examined. The investigation is supported by statistical analyses that demonstrate an increase in the use of non‐standard syntax over the timeframe of the corpus and compares the results with other corpora of written language.
3. Orthography and the metacommunicative features of digital writing. This analysis identifies orthographic features and strategies in the corpus, e.g. the repetition of certain emoji, and develops a holistic framework to study metacommunicative functions, such as the communication of illocutionary force, information structure, or the expression of identities. The framework unifies previous research that had focused on individual features, integrating a wide range of metacommunicative strategies within a single, robust system of analysis.
By using qualitative and computational analytical frameworks within corpus linguistic methods, the thesis identifies emergent linguistic features in digital youth language in German and sheds further light on lexical and morphosyntactic changes and trends in the language of young people over the period 2008‐2018. The study has also further developed and augmented existing analytical frameworks to widen the scope of their application to orthographic features associated with digital writing.
Selten zuvor hat ein Ereignis in der Welt so direkt und für viele Menschen unmittelbar spürbar Einfluss auf den Wortschatz des Deutschen gehabt wie die Coronapandemie. Fast täglich konnte man ab Frühjahr 2020 neuen Wortschatz im Radio oder Fernsehen hören und in Zeitungen, Zeitschriften oder Beiträgen in den Sozialen Medien lesen. Zugleich sind zahlreiche medizinische und epidemiologische Fachausdrücke in den Allgemeinwortschatz eingegangen. Welche Spuren dieses dynamischen Wandels in Lexikon und Kommunikation auf lange Sicht in unserer Sprache zu finden sein werden, ist eine offene Frage, auf die die Sprachwissenschaft erst in den nächsten Jahrzehnten eine Antwort wird geben können. Erste Tendenzen aber zeichnen sich schon heute ab.
Rede
(2022)
Die auf verschiedenen Ebenen ablaufenden textkommunikativen Funktionalisierungs- und Anpassungsprozesse widerständischer Akteure sowie Konstitutionsprozesse von Akteuren des NS-Apparates anhand der Textsorte ›politische Rede‹ sollen Gegenstand dieses Beitrages sein, innerhalb dessen sowohl historisch relevante als auch bisher von der Forschung kaum oder gar nicht beachtete politische Reden der verschiedenen Akteursgruppen analysiert werden sollen: Insgesamt wurden 32 Reden in die Analyse einbezogen. 23 stammen von Akteuren des NS-Apparates, neun von Mitgliedern des Widerstands.
Tagebuch
(2022)
Die Subjektivität des Tagebuchs als eine Art Archiv historischer Daten ist insofern zum einen im Zeichen einer sprachlichen Sozialgeschichte zu analysieren und zum andern, aus der Retrospektive, von hohem sprach-, diskurs- sowie kommunikationsgeschichtlichem Wert. Die Spezifik und akteursbedingte Variantenvielfalt darzustellen, ist das Ziel dieses Beitrags. Er basiert auf der Auswertung von insgesamt elf Tagebüchern. Zwei sind von NS-Akteuren verfasst, eines von einer NS-affinen Akteurin der Integrierten Gesellschaft, eines von einem dissidenten Akteur der Integrierten Gesellschaft, vier von Mitgliedern des Widerstands und drei Tagebücher von ausgeschlossenen Akteuren.
In diesem Beitrag wird der in den vorliegenden zwei Bänden häufig verwendete Terminus ›Exklusion‹ systematisch und empirisch fundiert als akteursdifferenziertes Beschreibungselement interpretiert. Diese Akteursdifferenzierung(nach NS-Apparat, NS-affin, ausgeschlossen) bedeutet, Exklusion im Sinn einer sprachlich-kommunikativen Praktik bzw. Strategie und unter der Voraussetzung, dass wir es hinsichtlich der entsprechenden sprachlichen Realisate mit Identitätszu- und -abschreibungen zu tun haben, als Identitätsmanagement in den drei Handlungsperspektiven zu beschreiben.
Um die mit dem Ausdruck Volksgemeinschaft gegebene Handlungsanleitung auf sprachlicher Ebene nachzuzeichnen und in diesem Zusammenhang auch die Dynamik des Gemeinschaftsbegriffs zwischen 1933 und 1945 einzufangen, beschreiten wir methodisch den Weg, die Kotextprofile über die morphosyntaktische Einbettung und damit über die Kontextualisierung des Ausdrucks zu erfassen. Akteursbezogen werden dabei diejenigen Handlungsmuster relevant, in denen das Konzept der Volksgemeinschaft besprochen, behauptet oder beschworen wird. Aufgrund der semantischen Polyvalenz der Wortbildung Volksgemeinschaft und ihrer hohen Reichweite in alle gesellschaftliche Bereiche wird für eine textnahe Interpretation erhoben, zu welchen Themenbereichen die unter dem Gemeinschaftsgedanken verhandelten Gegenstände gehören (z. B. Sport, Architektur, Fahrten etc.), aber auch, wie sich der einzelne oder das Kollektiv in diese Wissens- und Handlungsfelder einschreiben.
Die nachfolgende Konzeptbeschreibung ist ein Beitrag zur »linguistischen Anthropologie« (vgl. den so betitelten Aufsatz von Fritz Hermanns 1994) zur Zeit des Nationalsozialismus. Es geht um »sprachgeprägte Menschenbilder« (Hermanns 1994: 37). Wir rekonstruieren Zuschreibungen von »Eigenschaften und Verhaltensweisen« (ebd., auch 46). Es handelt sich im Sinn sprachlicher Praktiken um Stereotypisierungen, die sich durch die Kontextualisierung von »kategoriengebundenen Merkmalen« (vgl. Stocker 2005: 74–81) und Geschlechts- bzw. Generationenbezeichnungen ausdrücken.
Dieses aus zwei Teilbänden bestehende Werk folgt der Leitidee einer sprachlichen Sozialgeschichte des Nationalsozialismus. Berücksichtigt werden jeweils ebenso die sprachlich-kommunikativen Praktiken des NS-Apparats und der NS-Affinen wie der Ausgeschlossenen und Widerstandsmitglieder vor dem Hintergrund relevanter Diskurse. Der Schwerpunkt in diesem zweiten Teilband liegt auf der Darstellung der Nutzung einiger zentraler Kommunikationsformen/Textsorten (Tagebuch, Brief, Postkarte, Denk- und Flugschrift, Rede) und der Frage danach, wie Texttraditionen modifiziert werden. Hier werden Diskursverdichtungen (›Arbeit‹, ›Blut‹, ›Freiheit‹ u.a.m) aufbereitet, die das Denken, Fühlen, Sollen und Wollen der NS-Zeit ideologisch bestimmten.
Dieses aus zwei Teilbänden bestehende Werk folgt der Leitidee einer sprachlichen Sozialgeschichte des Nationalsozialismus. Berücksichtigt werden jeweils ebenso die sprachlich-kommunikativen Praktiken des NS-Apparats und der NS-Affinen wie der Ausgeschlossenen und Widerstandsmitglieder vor dem Hintergrund relevanter Diskurse. Der Schwerpunkt in diesem ersten Teilband liegt auf der Beschreibung der Praktiken, die kennzeichnend sind für das kommunikative Verhalten im Nationalsozialismus, insbesondere die Praktik der Inklusion/Exklusion zur Herstellung von Gemeinschaft, ebenso wie situationsspezifische Formen des Agierens (wie z.B. sich beschweren) und Interagierens (wie z.B. im Zuge des Prozesses gegen die Widerstandskämpfer des 20. Juli).
Einleitung
(2022)
Im Folgenden soll es um kommunikative Praktiken in einem geheimen US-Kriegsgefangenenlager gehen, in dem deutsche Wehrmachtssoldaten inhaftiert waren, die dort verhört und deren Zellengespräche heimlich abgehört, mitgeschnitten und protokolliert wurden. Anhand von Auszügen aus verschiedenen Dokumententypen soll ein Schlaglicht auf die medial zugerichteten Praktiken des Verhörlagers geworfen werden. Die These, der in diesem Kapitel nachgegangen wird, lautet, dass die Protokollier- und Dokumentationspraktiken der Gefangennehmenden ebenso wie die durch sie dokumentierten Situationen die soziale Ordnung im Verhörlager wesentlich prägten und sich folglich aus ihnen figurierende Praktiken der sozialen Kategorisierung ablesen lassen, die einen Rückschluss auf die brüchige Übergangssituation zwischen politischen Systemen bzw. politisch geprägten Arrangements und Konstellationen, in denen die Beteiligten sich befanden, ermöglichen. Somit kennzeichnen die bearbeiteten kommunikativen Praktiken auch, wenngleich nicht durchgehend und auch nicht sonderlich explizit, Bezugnahmen auf und Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus, die zeitlich während des Nationalsozialismus, aber räumlich (und somit territorial, auch in einem ordnungspolitischen Sinne) außerhalb des Nationalsozialismus stattfanden.
Brief
(2022)
Der folgende Beitrag untersucht Briefe aus der Zeitspanne des Nationalsozialismus, die von unterschiedlichen Akteur*innen in unterschiedlichen Beteiligungsrollen verfasst worden sind. Es handelt sich um von Soldaten und ihren Angehörigen verfasste Feldpost-, um von Gegner*innen des Nationalsozialismus geschriebene Haftbriefe sowie um Eingaben an Staats- und Parteiinstanzen, die Teil des institutionellen Briefverkehrs sind. Alle diese Formen des Briefschreibens besitzen eine längere Tradition. Ihre Nutzung während der NS-Zeit ist jedoch durch spezifische Ausprägungen gekennzeichnet, die in den jeweiligen Abschnitten beleuchtet werden.
Führer
(2022)
Die folgende Analyse trägt der Zentralität des Führerkonzepts während des Nationalsozialismus Rechnung und skizziert – orientiert an der leitenden Akteurseinteilung in zentrale Repräsentanten des NS-Apparats, verschiedene Akteursgruppen der integrierten Gesellschaft und der Ausgeschlossenen sowie Akteure des Widerstands – ein differenziertes Bild des zeitgenössischen Sprachgebrauchs und der unterschiedlichen Verwendungsweisen des Führerkonzepts. Führer wird als nationalsozialistisches Leitkonzept konturiert, das eng mit weiteren Leitkonzepten wie Volk, Nation und Reich verknüpft war. Es besaß einerseits hohe integrative und affektive Kraft, diente andererseits – auf Seiten der Ausgeschlossenen, Dissidenten und des Widerstands – als Einsatzpunkt von Distanzierung und Kritik.
Sich beschweren – Kommunikation von Unzufriedenheit in Eingaben an Staats- und Parteiinstanzen
(2022)
Sich in eigener Sache zu beschweren oder einen ausgemachten Missstand anzusprechen, war neben dem Bitten und dem Huldigen die in Eingaben an Behörden und Politiker während des Nationalsozialismus am häufigsten anzutreffende Kommunikationspraktik. Die folgende, ihrem vorläufigen Charakter nach explorative, Analyse nimmt diese in den Blick und konzentriert sich dabei auf häufig anzutreffende Sprachhandlungsmuster, die für die Kommunikationspraktik des Sich-Beschwerens in Beschwerdeschreiben an offizielle Stellen konstitutiv waren. Untersuchungsgrundlage ist ein Korpus von ca. 500 Beschwerdeschreiben, die im Stadtarchiv Mannheim, dem Generallandesarchiv Karlsruhe, dem Landeshauptarchiv Koblenz sowie den »Akten der Partei-Kanzlei« (Microfiche-Edition) erhoben wurden.
Kampf
(2022)
In darauf aufbauender, aber auch sich davon differenzierender Art und Weise, findet das Konzept Kampf ebenso im politischen Diskurs des Nationalsozialismus Anwendung. Während im Zweiten Weltkrieg vor allem die Bedeutung von ›Kampf als Gefecht‹ im militärischen Kontext hervorgebracht wurde, sind die Verwendungen von ›Kampf als Bemühung‹, ›Kampf als Engagement‹ bis hin zu ›Kampf als Heroismus‹ (vgl. Klemperer 2018: 13), verknüpft mit ›Kampf als Kontroverse‹, vordergründig für das Verständnis der politischen Bedeutung des Kampfkonzepts im Nationalsozialismus. Im Folgenden werden nach einer einführenden begriffsgeschichtlichen Betrachtung ausgehend von diskursiv realisierten Wortformen der Lexeme Kampf und kämpfen konzeptkonstituierende Gebrauchsweisen für die verschiedenen Akteursklassen NS-Apparat, integrierte Gesellschaft, Ausgeschlossene und Widerstand dargelegt.
Der nationalsozialistische Interaktions- und Kommunikationsraum war mithin bevölkert von kommunikativ konstruierten Sozialfiguren. Hierbei gab es sowohl positiv Konnotierte (z. B. Volksgenosse, Nationalsozialist, Parteigenosse, SA-Mann, Alter Kämpfer) als auch negativ Konnotierte (z. B. Asozialer, Judenfreund, Schwarzer, Roter, Freimaurer). Diese stereotypisierten Sozialfiguren, an die wiederum vielfältige positive wie negative Attribuierungen geknüpft waren, stellten gleichsam Diskurspositionen dar, die anderen zugewiesen wurden oder eingenommen werden konnten – sofern den individuellen Voraussetzungen nach möglich – und die mit unterschiedlichen Graden der In- bzw. Exklusion einhergingen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf zwei dieser Figuren, die spezifischer als Grenzfiguren begriffen werden können: Meckerer und Märzgefallene. Es wird untersucht, wie diese beiden Grenzfiguren sprachlich konstruiert, in welchen Kontexten und Kommunikationssituationen sie angeeignet und verwendet wurden. In beiden Fällen wird der Fokus dabei über den wörtlichen Ausdruck hinaus auf zeitgenössisch ähnliche oder eng verwandte Bezeichnungen ausgeweitet.
Einleitung
(2022)
Korpora sind – als idealerweise digital verfüg- und auswertbare Sammlungen von Texten – eine wertvolle empirische Grundlage linguistischer Studien. Eigene Korpora aufzubauen ist, je nach Sprachausschnitt, mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden. Zu allen Texten sollten Metadaten zu den Textentstehungsbedingungen (Zeit, Quelle usw.) erhoben werden, um diese als Variablen in Auswertungen einbeziehen zu können. Andere Informationen wie etwa die Themenzugehörigkeit (oder Annotationen auch unterhalb der Textebene) sind auch hilfreich, in vielerlei Hinsicht aber schwieriger pauschal taxonomisch vorzugeben, geschweige denn, operationell zu ermitteln. Jenseits der »materiellen« Verfügbarkeit der Texte und der technischen Aufbereitung sind es das Urheberrecht, vor allem Lizenz- bzw. Nutzungsrechte, sowie ethische Verantwortung und Persönlichkeitsrechte, die beachtet werden müssen, auch um zu gewährleisten, dass die Daten für die Reproduktion der Studien Dritten rechtssicher zugänglich gemacht werden dürfen. Bevor für ein Vorhaben ein neues Korpus aufgebaut wird, sollte deshalb am besten geprüft werden, ob nicht ein geeignetes bereits zur Verfügung steht. Wenn ein Korpus aufgebaut wird, sollte für eine nachhaltige Aufbewahrung und Zugänglichmachung gesorgt und die Existenz an geeigneter Stelle dokumentiert werden.
Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die bisherigen Forschungen zur Sprachgeschichte des Nationalsozialismus im Lichte ihres Erkenntnispotenzials für gegenwärtige historiografische Fragestellungen zu diskutieren. In einem ersten Schritt wird die Forschungsgeschichte zur Sprache des beziehungsweise im Nationalsozialismus von der frühen Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre skizziert. Deutlich wird hier vor allem, dass in dieser Phase zwar wichtige Arbeiten entstanden sind, jedoch methodische und theoretische Begrenzungen zahlreiche blinde Flecken bestehen ließen. In einem zweiten Schritt wird dargelegt, mit welchen Erkenntnisinteressen und Instrumentarien die jüngere Forschung sich auf diese blinden Flecken konzentriert und welche Ergebnisse sie zutage gefördert hat. Dabei sollen vor allem diejenigen Aspekte benannt werden, die nach Ansicht des Verfassers bei einer noch zu schreibenden Sprach- und Kommunikationsgeschichte des Nationalsozialismus zu beachten sind. Es handelt sich konkret um eine Ausweitung der Perspektive in Richtung unterschiedlicher Kommunikationssituationen und heterogener Akteurskonstellationen, um Sprachgebräuche unter den Diskursbedingungen des Nationalsozialismus angemessen beschreiben zu können.
Mit der Jahrestagung 2021 lenkte das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) den Blick auf die Wechselbeziehung zwischen Sprachgebrauch bzw. sprachlichem Handeln und der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit. Damit ist der Gegenstandsbereich der Tagung umrissen: Es geht um die politische und gesellschaftliche Dimension von Sprache. Das Institut entspricht mit diesem Tagungsthema in besonderer Weise seiner Aufgabe, die Sprache in der Gegenwart und in ihrer jüngeren Geschichte zu untersuchen.
Vorwort
(2022)
Wenn ich am Ende dieses Jahres an die Diskussionen zur deutschen Sprache zurückdenke, die ich bei Medienauftritten und in Veranstaltungen geführt habe, dann ist dabei immer wieder eine ganz bestimmte Frage gestellt worden: Wer entscheidet eigentlich darüber, wie wir sprechen und schreiben, was wir sagen dürfen und was nicht? Wer hat die Entscheidungsbefugnis über die Aufnahme neuer Wörter ins Deutsche, über gendergerechte Sprache oder über Rechtschreibregeln?
Sprache ist politisch, und politisches Handeln vollzieht sich nie ohne Sprache. Sprachgebrauch bzw. sprachliches Handeln stehen dabei in einer unauflösbaren Wechselbeziehung mit der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit. Diese Wechselbeziehung aus verschiedenen Perspektiven zu analysieren, ist das Ziel der in diesem Band versammelten Beiträge, mit denen die Jahrestagung 2021 des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache dokumentiert wird. Dabei geht es nicht zuletzt um die gesellschaftliche Verantwortung, die die Sprachwissenschaft – wie alle Sozialwissenschaften – hat. Diese Verantwortung besteht darin zu zeigen, welche Rolle und Funktion Sprache im gesellschaftlich-politischen Kontext zukommt. Mit diesem Anspruch bekommen Themen aus dem Bereich Sprache, Politik und Gesellschaft sowohl gegenwarts- als auch vergangenheitsbezogen eine neue Relevanz. Der Zugang ist dabei dezidiert transdisziplinär, neben der Linguistik sind insbesondere auch die Politologie und die Geschichtswissenschaft beteiligt.
Am 24. Februar 2020 wurde in der Schweiz die erste Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt konnte wohl noch niemand ahnen, welche tiefgreifenden Konsequenzen die Corona-Pandemie für die Gesellschaft haben wird. Aus heutiger Perspektive überrascht es uns nicht mehr, dass das Pandemiegeschehen auch starke Auswirkungen auf die Sprache hatte und noch immer hat, denn Sprachgebrauch passt sich stets gesellschaftlichen Veränderungen an. Am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim dokumentieren und erforschen wir die ungewöhnlich starken und kurzfristigen Wirkungen der Pandemie auf die deutsche Sprache und fassen unsere Ergebnisse unter anderem in zahlreichen Beiträgen zusammen.
Um das Thema Gendern oder geschlechtergerechte Sprache hat sich eine hitzige gesellschaftliche Debatte entwickelt. Seit Anfang des Jahres ist die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache medial wieder besonders präsent. Anlass ist u.a. die Überarbeitung der Bedeutungsbeschreibungen im Duden online. Vor kurzem widmete sogar Der Spiegel dem Thema den Hefttitel und einen Leitartikel (vgl. Bohr et al. 2021). Allerdings erschöpft sich die Diskussion leicht in Pro- und Kontra-Positionen, dabei gibt es eine ganze Bandbreite von Aspekten rund um das Thema ‚geschlechtergerechte Sprache‘ zu betrachten, die eine differenziertere Diskussion ermöglichen können. Ziel dieses Beitrags ist es, einige dieser Aspekte knapp und möglichst verständlich in die Debatte einzubringen.
Kontroversen wie die um gendergerechten Sprachgebrauch haben eindeutig eine politische Dimension. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Jenseits der politischen Auseinandersetzung stellt sich die Frage, in welcher Weise die verschiedenen Positionen in der Gesellschaft verankert sind und warum die Kontroversen überhaupt entstehen. Die Analyse der postindustriellen Gesellschaft des Soziologen Andreas Reckwitz bietet dafür die Möglichkeit einer Erklärung.
Die Coronapandemie hat die Welt seit Anfang 2020 in vielfältiger Weise geprägt. Der Alltag hat sich gewandelt: Schule, Beruf, das tagtägliche Bewegen in der Öffentlichkeit oder in Verkehrsmitteln ist Regeln unterstellt, die es in dieser flächendeckenden und umfassenden Art so noch nicht gegeben hat. In diesem Wandel in der Welt ist auch die Sprache einer stetigen Entwicklung unterworfen. Neue Dinge in der Welt wollen erzählt und ausgetauscht werden. Und so kommt es in der Zeit der Coronapandemie zu zahlreichen Wortneuschöpfungen, Entlehnungen oder Bedeutungserweiterungen von bereits existierenden Wörtern. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) beobachtet diese Entwicklungen und arbeitet u. a. im Projekt »Neuer Wortschatz« an der Dokumentation dieser lexikalischen Spuren, die die Coronapandemie im Wortschatz hinterlässt. Der Beitrag begibt sich auf Spurensuche nach Neuem, nach neu Ausgehandeltem und nach der Frage, wie die (Wort-)Geschichte wohl weitergehen wird.
Leicht hat es die Duden-Redaktion derzeit nicht. Im Sommer erst musste sie sich ungerechtfertigterweise vorhalten lassen, mit der Aufnahme neuer Wörter in die 28. Auflage des Rechtschreibdudens eine links-grüne Agenda zu verfolgen. Vor kurzem hieß es nun, im Online-Duden werde heimlich eine Sprachveränderung betrieben, die zum Verschwinden des generischen Maskulinums führe. Kürzlich hat deshalb der “Verein Deutsche Sprache”, jener umstrittene Verein konservativer Sprachschützer*innen, sogar einen öffentlichen Aufruf gegen den Dudenverlag gestartet. Was ist also dran an diesem Vorwurf?
Mit Entwicklungen in der Welt entsteht auch ein neuer Wortschatz, insbesondere in Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche oder bedingt durch Krisen, denn neue Dinge, neue Umstände, »neue Normalitäten« müssen bezeichnet werden, damit darüber kommuniziert werden kann. Zugleich steigt die Gebrauchshäufigkeit älterer Wörter, weil sie aktuell für die Verständigung besonders relevant werden. Die in diesem Glossar präsentierten Begriffe thematisieren solche sprachlichen Auswirkungen der Coronakrise.
Die Corona-Pandemie betrifft fast alle Facetten des öffentlichen Lebens und hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den persönlichen Umgang miteinander, sondern beherrscht auch die Berichterstattung im großen Stil. In unserem Beitrag wollen wir zeigen, welche lexikalischen Spuren oder Trends der Coronakrise wir in der deutschen Online-Nachrichtenberichterstattung beobachten können, obwohl wir uns noch mitten in der Pandemie zu befinden scheinen. „Lexikalische Spuren“ bedeutet, dass wir z.B. die am häufigsten verwendeten Wörter, Wortbildungsprodukte rund um „Corona“ oder Häufigkeitskurven einzelner Wortformen analysieren. Auf der Grundlage von Online-Nachrichtenberichten aus 13 deutschsprachigen Quellen, die seit Anfang 2020 gesammelt wurden, zeigen wir unter anderem, wie über wöchentliche Übersichten der am häufigsten verwendeten Wörter zu sehen ist, wann die Corona-Pandemie zum dominierenden Thema in der Nachrichtenberichterstattung wird; wie eine wahre Explosion von Wortbildungsprodukten mit „Corona“ wie „Vor-Corona-Gesellschaft“ oder „Post-Corona Zukunft“ beobachtet werden kann, wie andere Themen – z.B. der Fußball – durch Corona verdrängt werden, wie sich die Diskussion um Auswege aus dem Lockdown in den Daten widerspiegelt, oder wie prominente Virolog/-innen in die gleiche „Frequenzliga“ wie Politiker/-innen aufsteigen.
Im Kontext des Essens und seiner Zubereitung, der Speisen und ihres Verzehrs, akzentuiert das Wort Gericht, dass es sich bei der gesellschaftlich üblichen Form von Nahrungsaufnahme um eine spezifisch ausgeformte soziale Praxis handelt. In diesem Handlungs- und Interpretationskontext wird mit dem Wort Gericht hervorgehoben, dass eine auf bestimmte Weise zubereitete („zugerichtete“) Speise als relevanter Teil einer Mahlzeit zu gelten hat. Wie bei solchen Alltagspraktiken nicht unüblich, ist die Verwendung dieses Worts nicht scharf von anderen Benennungen in diesem Kontext zu trennen, von denen die Praktiken des Essens nicht so sehr über die „Zurichtung“, sondern z.B. über die Abfolge (z.B. Hauptspeise, Gang usw.) geleistet werden. Allerdings ist mit dem Angerichtetsein, das im Wort Gericht steckt, doch auch immer seine Angemessenheit angedeutet, etwas, was es mit dem gleichlautenden juristischen Wort verbindet – und zu mancherlei textueller Verbindung führt.
In Theaterproben entwickeln Beteiligte gemeinsam eine Inszenierung, die zur Aufführung gebracht wird. Ein wesentliches Mittel dazu ist das Vorspielen von Teilen des Stücks und das anschließende Besprechen. Dies geschieht üblicherweise in Rollenteilung: Die Schauspielenden führen Teile des Stücks vor, während die Regie zuschaut und gegebenenfalls interveniert, woran sich Besprechungen anschließen können. Dieser Teil von Theaterproben, in dem abwechselnd vorgespielt und besprochen wird, haben wir Spielprobe genannt (siehe Einleitung zu diesem Themenheft). Eine wesentliche interaktionsorganisatorische Aufgabe von Spielproben besteht für die Beteiligten darin, Schauspielaktivitäten und Besprechungsaktivitäten miteinander zu verzahnen. Dies geschieht durch Transitionspraktiken, die das Spiel entweder unterbrechen oder wieder eröffnen. Der vorliegende Beitrag untersucht Transitionspraktiken in Spielproben als ein konstitutives Moment ihrer interaktiven Organisation. Fokussiert werden Praktiken, die das Spiel unterbrechen, so genannte Interventionen. Nach einer detaillierten Fallanalyse, die eine prototypische Transition vom Spiel ins Besprechen und zurück ins Spiel veranschaulicht (Kap. 4.1/4.2), widmet sich der Rest des Beitrags der Analyse einer Kollektion von Interventionen. Es zeigt sich, dass Interventionen normativen Orientierungen unterliegen und verwendete Praktiken hinsichtlich verschiedener Dimensionen (etwa Ursache/Grund der Intervention) systematisch variieren.
Text und Sprache digital
(2020)