Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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In der Geschichte der Sprachwissenschaft hat das Lexikon in unterschiedlichem Maße Aufmerksamkeit erfahren. In jüngerer Zeit ist es vor allem durch die Verfügbarkeit sprachlicher Massendaten und die Entwicklung von Methoden zu ihrer Analyse wieder stärker ins Zentrum des Interesses gerückt. Dies hat aber nicht nur unseren Blick für lexikalische Phänomene geschärft, sondern hat gegenwärtig auch einen profunden Einfluss auf die Entstehung neuer Sprachtheorien, beginnend bei Fragen nach der Natur lexikalischen Wissens bis hin zur Auflösung der Lexikon-Grammatik-Dichotomie. Das Institut für Deutsche Sprache hat diese Entwicklungen zum Anlass genommen, sein aktuelles Jahrbuch in Anknüpfung an die Jahrestagung 2017 – „Wortschätze: Dynamik, Muster, Komplexität“ – der Theorie des Lexikons und den Methoden seiner Erforschung zu widmen.
Der Vortrag sollte als ein Diskussionsangebot dazu verstanden werden, welche linguistischen Fragestellungen und Probleme lohnend sein können, im Kontext der wissenschaftlichen Diskussion um sprachliche Phänomene vor, während und nach der Wende und im vereinigten Deutschland auf der Basis umfangreicher Recherchen und Analysen untersucht zu werden. Als empirische Grundlage der Überlegungen dient dabei das "Wende-Korpus", das im vergangenen Jahr in gemeinsamer Arbeit des Zentralinstituts für Sprachwissenschaft Berlin und des Instituts für deutsche Sprache Mannheim aufgebaut wurde. Das Korpus dokumentiert in seiner Komplexität sehr plastisch die dramatischen Veränderungen des Herbstes 1989 und des Jahres 1990.
Der Beitrag diskutiert linguistische Fragestellungen und Probleme, die sich aus dem Projekt "Gesamtdeutsche Korpusinitiative" ergeben. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, welchen Nutzen das Wendekorpus als Kern und eine weiterzuführende Dokumentation der deutschen Gegenwartssprache für sprachwissenschaftliche Analysen bringen könnte. Im Zentrum der Untersuchungen steht das Spannungsverhältnis zwischen Kontinuität, Variation und wirklichem Wandel der Sprachverwendung. Dabei schließt sich an übergreifende, sich von Einzelphänomenen lösende Aussagen zur Sprache der Wende (Abschnitt I.) die exemplarische Vorführung von Kontinuität und Dynamik sprachlicher Strukturen an Textausschnitten aus dem Wendekorpus an (Abschnitt II.).
In diesem Beitrag sollen Ergebnisse einer Untersuchung zu Reformulierungen im öffentlichen Diskurs erörtert werden. Im Mittelpunkt stehen Reformulierungsrelationen, die sich über mehrere zumeist schriftliche Kommunikationsakte hinweg konstituieren und einen intertextuellen Zusammenhang zwischen Texten hersteilen. Den Kern des empirischen Materials, auf dem diese Studie basiert, bilden rund 80 Texte aus Tageszeitungen (Ost/West), die auf ein und denselben Originaltext (Regierungserklärung des DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maiziere nach den Volkskammerwahlen vom 18. März 1990) Bezug nehmen. Ein weiterer Teil der Textbelege stammt aus dem Korpus des Instituts für deutsche Sprache (Mannheim) zur Sprache der Wende (WKD/WKB), das in den Jahren 1990/91 im Projekt "Gesamtdeutsche Korpusinitiative" zusammengestellt und dokumentiert wurde.
Vorwort
(2004)