Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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Seit 1977 wird in Deutschland jedes Jahr ein Wort bzw. eine Wortsequenz zum „Wort des Jahres“ gekürt. Vorgenommen wird die Wahl von einer Jury, die sich aus Mitgliedern der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) zusammensetzt. In der deutschsprachigen Schweiz gibt es eine solche Aktion ebenfalls (seit 2003); inzwischen wird das Wort des Jahres aber nicht mehr nur auf Deutsch, sondern auch auf Französisch, Italienisch und Rätoromanisch gewählt. Wenn im Folgenden vom „Schweizer Wort des Jahres“ die Rede ist, ist damit aber immer nur das Deutschschweizer Jahreswort gemeint. Durchgeführt wird die Aktion von einem Forschungsteam, das an der Zürcher Hochschule für Angewandte Linguistik (ZHAW) tätig ist.
Jeden Tag finden weltweit über 40 innerstaatliche Konflikte und Kriege statt. Nach dem letzten Stand (14.11.2022) werden in Subsahara-Afrika 13, im Nahen Osten und in Nordafrika zehn und in Asien ebenfalls zehn Konflikte erwähnt. Aus Europa und Lateinamerika wird jeweils über fünf Konflikte berichtet. 2023 kam es zu neuen Konflikten und Kriegen in der Welt, über die jedoch noch keine Statistik vorhanden ist. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aber seit Anfang 2022 in den Weltmedien omnipräsent geworden. Somit wurde der Begriff Krieg auf verschiedene Weise in vielen internationalen Kontexten und Textquellen interpretiert und umschrieben, dann aber deutlich zum Ausdruck gebracht.
Selten zuvor hat ein Ereignis in der Welt so direkt und für viele Menschen unmittelbar spürbar Einfluss auf den Wortschatz des Deutschen gehabt wie die Coronapandemie. Fast täglich konnte man ab Frühjahr 2020 neuen Wortschatz im Radio oder Fernsehen hören und in Zeitungen, Zeitschriften oder Beiträgen in den Sozialen Medien lesen. Zugleich sind zahlreiche medizinische und epidemiologische Fachausdrücke in den Allgemeinwortschatz eingegangen. Welche Spuren dieses dynamischen Wandels in Lexikon und Kommunikation auf lange Sicht in unserer Sprache zu finden sein werden, ist eine offene Frage, auf die die Sprachwissenschaft erst in den nächsten Jahrzehnten eine Antwort wird geben können. Erste Tendenzen aber zeichnen sich schon heute ab.
Coronaparty, Jo-jo-Lockdown und Mask-have – Wortschatzerweiterung während des Corona-Stillstands
(2021)
Korpora sind – als idealerweise digital verfüg- und auswertbare Sammlungen von Texten – eine wertvolle empirische Grundlage linguistischer Studien. Eigene Korpora aufzubauen ist, je nach Sprachausschnitt, mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden. Zu allen Texten sollten Metadaten zu den Textentstehungsbedingungen (Zeit, Quelle usw.) erhoben werden, um diese als Variablen in Auswertungen einbeziehen zu können. Andere Informationen wie etwa die Themenzugehörigkeit (oder Annotationen auch unterhalb der Textebene) sind auch hilfreich, in vielerlei Hinsicht aber schwieriger pauschal taxonomisch vorzugeben, geschweige denn, operationell zu ermitteln. Jenseits der »materiellen« Verfügbarkeit der Texte und der technischen Aufbereitung sind es das Urheberrecht, vor allem Lizenz- bzw. Nutzungsrechte, sowie ethische Verantwortung und Persönlichkeitsrechte, die beachtet werden müssen, auch um zu gewährleisten, dass die Daten für die Reproduktion der Studien Dritten rechtssicher zugänglich gemacht werden dürfen. Bevor für ein Vorhaben ein neues Korpus aufgebaut wird, sollte deshalb am besten geprüft werden, ob nicht ein geeignetes bereits zur Verfügung steht. Wenn ein Korpus aufgebaut wird, sollte für eine nachhaltige Aufbewahrung und Zugänglichmachung gesorgt und die Existenz an geeigneter Stelle dokumentiert werden.
Argumentative Stützungen von diskursiven Geltungsansprüchen spielen im Rahmen von Diskursanalysen zu gesellschaftlich verhandelten Themen, wie ökologische Nachhaltigkeit, eine wichtige Rolle. Im vorliegenden Beitrag, der einen zentralen Aspekt der großangelegten diachronen Studie von Schwegler (2018) fokussiert vorstellt, wird ein diskurslinguistischer Ansatz zur Erfassung von Argumentationen und Werteverständnissen dargelegt, der Argumentgruppen inhaltlich bzw. thematisch unterscheidet – d. h. nicht mikro- oder makroformal analysiert – und gleichzeitig mittels eines framesemantischen Ansatzes über eine Argumentationsanalyse auf mittlerer Abstraktionsebene hinausgeht. So kann auch für vermeintlich konsensuelle Bereiche aufgedeckt werden, wie Konflikte latent innerhalb zentraler argumentativer Begriffe liegen. Identifizierte Argumentgruppen, wie hier beispielhaft Gerechtigkeit, sind dabei nicht genuin diskursspezifisch, spezifisch sind vielmehr die Kombinationen der Werteverständnisse, d. h. die Arten von Gerechtigkeit, an die argumentativ appelliert wird. Im deutschsprachigen Nachhaltigkeitskontext sind dies u. a. Fairness, Gleichheit (bzgl. Umweltgerechtigkeit oder Verfahrensgerechtigkeit), globale Gleichberechtigung, kosmische Gerechtigkeit (Schicksal), Reziprozität/Tauschgerechtigkeit sowie Gewohnheitsrecht oder Utilitarismus, die in kontrastiver Verwendung Konfliktpotenzial bergen.
Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung gehören zu den drängenden globalen Zielen unserer Zeit. Als interdisziplinäres und vielschichtiges Thema ist Nachhaltigkeit auch für die angewandte Linguistik hochrelevant – sei es mit Blick auf die diskursive Debattenkultur, neue mediale Formen der Partizipation oder Formen der Wissenskommunikation, wie die international entstandene Nachhaltigkeitskommunikation in Wirtschaft und Politik.
Um das Thema Gendern oder geschlechtergerechte Sprache hat sich eine hitzige gesellschaftliche Debatte entwickelt. Seit Anfang des Jahres ist die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache medial wieder besonders präsent. Anlass ist u.a. die Überarbeitung der Bedeutungsbeschreibungen im Duden online. Vor kurzem widmete sogar Der Spiegel dem Thema den Hefttitel und einen Leitartikel (vgl. Bohr et al. 2021). Allerdings erschöpft sich die Diskussion leicht in Pro- und Kontra-Positionen, dabei gibt es eine ganze Bandbreite von Aspekten rund um das Thema ‚geschlechtergerechte Sprache‘ zu betrachten, die eine differenziertere Diskussion ermöglichen können. Ziel dieses Beitrags ist es, einige dieser Aspekte knapp und möglichst verständlich in die Debatte einzubringen.