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Die zentrale Rolle von Erzählungen in ökonomischen Diskursen ist inzwischen zwar erkannt worden, doch wurden Formen und Funktionen einzelner Narrative bisher kaum näher untersucht. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Beitrag als Versuch zu verstehen, sich einmal exemplarisch einer ganz bestimmten Erzählgattung und deren Funktion zu widmen: dem Märchen. Gerade in Zeiten von Finanzkrisen wird in medialen Diskursen gern auf Märchen angespielt, insbesondere auf solche, in denen das Motiv einer wundersamen Geld- bzw. Goldvermehrung eine zentrale Rolle spielt. Zugleich wird der Begriff Märchen im Sinne der Untergattung des Lügenmärchens verwendet, um den fiktionalen Charakter bestimmter Finanzprodukte zu markieren. Der Beitrag ist von der These geleitet, dass die zentralen ökonomischen Narrative (wie etwa Wachstumsprognosen) wie Märchen auf einem besonderen Fiktionsvertrag basieren, der bewirkt, dass Aspekte des Wunderbaren nicht als solche wahrgenommen, sondern als selbstverständlich empfunden und verarbeitet werden.
Die aufeinander folgenden Finanz- und Wirtschaftskrisen des vergangenen Jahrzehnts haben Phänomene der Wirtschaft zunehmend ins Zentrum öffentlicher Debatten gerückt. Dabei geht es im fachlichen wie im populären Diskurs ebenso wie in fiktionalen Werken um die Erzählbarkeit und damit die Erklärbarkeit komplexer, die gesamte globalisierte Welt erfassender Phänomene. Dieser interdisziplinär ausgerichtete Band nähert sich dem Phänomen des Erzählens ökonomischer Sachverhalte aus linguistischer, literaturwissenschaftlicher, kulturwissenschaftlicher, historischer und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive.