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Johann Leo Weisgerbers bekannter Titel bezieht sich auf Humboldts Energeia-Begriff, also auf die Sprache als wirkende Kraft. Auch in diesem Beitrag soll den wirkenden Kräften nachgegangen werden, freilich nicht als Unterstellung eines wesenhaften Sprachvermögens, sondern als Versuch, die wirksamen Motive der sprachkritischen Einstellungen, Publikationen und publizistischen Erscheinungen an einem Raster sozialwissenschaftlicher Begriffe darzulegen. An einigen ausgewählten Presseberichten und grammatischen Beispielen (Veränderungen im Bereich der deutschen Zeitenfolge) wird zunächst gezeigt, dass sich Sprachkritik oft schon von ihrem Gegenstand, der deutschen Sprache, weitgehend gelöst hat. Auch angesichts neuer Formen von substandardsprachlichen Erscheinungen (z.B. Jugendsprache, Jargon, Kiezsprache usw.) kann oft nachgewiesen werden, dass es sich in vielen Fällen um kommunikativ funktionale Sprachformen handelt. Um es schlagwortartig zusammenzufassen: Es gibt Sprachkritik ohne Sprache. Die „wirkenden Kräfte“ der Sprachkritik sichern vielmehr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Differenzen und machen damit das Gefüge unterschiedlicher Lebensformen deutlich. Sie werden hier mit systemtheoretischen Begrifflichkeiten nach Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme beschrieben und damit auch erklärt. Während das für die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts charakteristische Programm der „Kritik der Sprachkritik“ auf eine sprachwissenschaftliche Aufklärung zielt, scheint heute vielmehr eine soziologische Aufklärung diese metakritische Funktion erfüllen zu können. Es könnte sich aber auch zeigen, dass Sprachkritik ihren Beitrag zur Stabilisierung des gesellschaftlichen Zusammenwirkens leistet — wenn man sie nicht als Sprachkritik im engeren Sinn versteht.
Numerusinkongruenzen bei Subjekt und Prädikat sind im Deutschen von pragmatischen und diskurssemantischen Faktoren motiviert. Das kann man u.a. dadurch zeigen, dass hier auch bestimmte Verbkategorien wie Wahrnehmungsverben und Modalisierungskontexte wirksam sind. Solche Fälle können zu den Inkongruenzerscheinungen gehören, welche von den normbezogenen Werken als falsch bezeichnet werden. Tatsächlich zeigen sich aber in diesen Erscheinungen sprachübergreifende Sprechstrategien mit dem Anspruch auf universalgrammatische Geltung. Unter dem Gesichtspunkt, dass hier eigentlich Themakongruenz vorliegt und die Termqualität im Subjektsbereich als entscheidender Faktor wirkt, sollte die Frage der sprachlichen Norm auf diesem Bereich neu überdacht werden.