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Die Duden-Ontologie hat mittlerweile eine mehr als 10-jährige Geschichte, von denen ich hier verschiedene Aspekte vorstellen möchte. Zu Beginn stand die Vision alle Duden-Werke in einer zentralen Quelle zu speichern, aus der heraus alle bisherigen und je nach Bedarf auch neue Werke in verschiedenen Formaten und für verschiedene Medien weitgehend automatisch produziert werden können. Darüber hinaus sollten auch sprachtechnologische Produkte diese Quelle nutzen und so von einer permanenten Pflege und kontinuierlichen Überarbeitung und Ergänzung der zentralen Ressource unmittelbar profitieren können. In diesem Papier werde ich zunächst die Motivation und die Ziele erläutern, die uns zu Beginn des Projektes veranlasst haben, uns in dieses Abenteuer zu stürzen. Aus diesen Motiven und Zielen leiteten sich die Anforderungen an die Datenmodellierung ab. Das daraus resultierende Datenmodell werde ich kurz darstellen und anschließend auf die Implementierung eingehen. Zum Schluss gehe ich auf den Einsatz des Wissensnetzes in der Verlagspraxis ein.
Wenn man verschiedenartige Forschungsdaten über Metadaten inhaltlich beschreiben möchte, sind bibliografische Angaben allein nicht ausreichend. Vielmehr benötigt man zusätzliche Beschreibungsmittel, die der Natur und Komplexität gegebener Forschungsressourcen Rechnung tragen. Verschiedene Arten von Forschungsdaten bedürfen verschiedener Metadatenprofile, die über gemeinsame Komponenten definiert werden. Solche Forschungsdaten können gesammelt (z.B. über OAI-PMH-Harvesting) und mittels Facetten-basierter Suche über eine einheitliche Schnittstelle exploriert werden. Der beschriebene Anwendungskontext kann über sprachwissenschaftliche Daten hinaus verallgemeinert werden.
Der Konstruktionsbegriff hielt seinen Einzug in die Spracherwerbsforschung durch gebrauchsbasierte Lerntheorien, nach denen sprachliche Strukturen als Form-Funktionseinheiten aus dem Input abgeleitet werden, Sprache somit ein emergentes System ist (Tomasello 1998a und b; Behrens 2009a und b). Die Abstraktionseinheit für das Kind ist dabei die Äußerung in ihrer situativen Gebundenheit und ihrer Diskursfunktion, mithin die Konstruktion. Die Konstruktion wird gefasst als schematische Einheit mit mehr oder weniger offenen Slots: Teile der Konstruktion können lexikalisch fixiert oder aber produktiv und durch andere Ausdrücke ersetzbar sein. Der Kontrast zum Valenzbegriff bzw. dem der Argumentstruktur in seiner formaleren Definition liegt darin, dass die lexikalischen Eigenschaften der Wörter die Syntax nicht projizieren, sondern dass sowohl die Eigenschaften der Lemmas als auch die der Morphosyntax aus ihrem Vorkommen in konkreten Sätzen abgeleitet werden.
Empirisch konzentriert sich die Forschung auf die Ermittlung der Generalisierungsprozesse und auf deren Basis im Input, dem Sprachangebot. Erwerbsrelevant ist insbesondere der Input in seinen usualisierten Mustern in typischen Interaktionssituationen. Eher wird vor allem der Grad der Produktivität kindlicher Äußerungen analysiert. Bislang weniger untersucht, aber zunehmend im Fokus sind die Generalisierungsprozesse selbst und damit die generative Kraft des Konstruktionsbegriffs. Sobald Aspekte einer Konstruktion abstrahiert worden (= produktiv) sind, sollten sie auf neue Situationen übertragen werden können, und gilt es zu ermitteln, welche formalen, funktionalen und distributionellen Faktoren die Abstraktion sprachlichen Wissens fördern.
In dem Paradigma der gebrauchsbasierten Konstruktionsgrammatik wird die modulare Trennung zwischen Wörtern und Regeln aufgehoben. Somit kann innerhalb eines einheitlichen theoretischen Rahmens sowohl der Erwerb regelhafter als auch der stärker idiosynkratischer Strukturen erklärt werden.
Der Beitrag betrachtet lexikalisch-semantische Relationen aus einer emergentistischen Perspektive vor dem Hintergrund eines korpusgeleiteten empirisch-linguistischen Ansatzes. Er skizziert, wie eine systematische Erfassung und Auswertung des Kookkurrenzverhaltens von Lexemen – die Analyse der Ahnlichkeit von Kookkurrenzprofilen mit Hilfe von selbstorganisierenden lexikalischen Merkmalskarten und ihre im Diskurs verankerte Interpretation – wichtige Einblicke in die Struktur verschiedenartiger Verwendungsaspekte dieser Lexeme einschlieslich ihrer semantischen Nahe ermoglichen. Die vorgestellte Methodik wird dabei –uber die explorativ-analytischen Zielsetzungen hinaus – als eine abduktive, auf Theoriebildung zielende Generalisierungsstrategie im postulierten Lexikon-Syntax-Kontinuum verstanden. Zum Schluss werden die Anwendungsmoglichkeiten einiger Komponenten dieser Methodik in der Lexikografie, Lexikologie und Didaktik diskutiert.
Nach Aufrufen der Zarin Katharina II und ihrer Nachfolger haben sich viele Menschen „aus deutschen Landen“ – aus Hessen und Baden, aus der Pfalz und Württemberg, aus Bayern, aus Mittel- und Norddeutschland – im 18. und später im 19. Jahrhundert auf den Weg nach Russland gemacht. Mitnehmen konnten sie nicht viel – außer ihren Heimatmundarten. Diese haben sie nicht nur in den ersten Jahrzehnten bewahrt, sondern für viele Generationen und Jahrhunderte danach.
Vom Zarenreich bis Putin folgt die Autorin dem Schicksal der russlanddeutschen Dialekte. Sie reist in die entlegensten Winkel der ehemaligen Sowjetunion, in die kleinen und großen Sprachinseln, besucht Wolhyniendeutsche und Mennoniten im Norden, Schwaben in Kasachstan, Bayern und Pfälzer im Altai-Gebiet und entdeckt überall quicklebendige Mundarten, eine reiche, vielfältige, für die Außenwelt noch weitgehend verschlossene Dialektlandschaft, deren besonderer Reiz das Neben- und Miteinander des Ursprünglichen, Mitgebrachten und des in den russischen Weiten Neuentwickelten und Hinzugekommenen ausmacht. Einen allgemeinen und gleichzeitig detaillierten Einblick in die heute weitgehend verschwundenen deutschen Sprachinselgebiete Russlands und deren Mundarten gibt das gut illustrierte Buch von Nina Berend.
Sprache nach der Re-Migration : am Beispiel der russischsprachigen Zuwanderung in Deutschland
(2011)
Over the past 30 years, more than 3 million migrants from the former Soviet Union have settled in Germany. At the Institute for German Language (Mannheim, Germany), the linguistic processes accompanying this Russian-German migration are currently being examined. In the present paper, three typical subtypes of this migration context will be analysed: »Inseldeutsch« (‘island German), »frühes Hochdeutsch« ( ‘early Standard German), and »Aussiedlerdeutsch« (the German of Russian-German migrants). What the analysis will suggest is that the general tendency is for the migrants’ linguistic choices and the emerging (migrant) varieties to be oriented both to the norms of Standard German and to the local dialects of their new homes.
Die Aufnahme deutscher Siedler und die Bildung von Sprachinseln in Russland seit Katharina II
(2011)
Das in diesem Beitrag vorgeschlagene Netzwerk aus Resultativkonstruktionen unterschiedlichen Abstraktionsgrades vereinigt die Vorteile von Goldbergs (1995, 2006) und Boas' (2003a, 2005a) Analysen. So können sowohl die beim Dekodieren relevanten abstrakt-schematischen Konstruktionsinformationen als auch die beim Kodieren wichtigen lexikalisch-spezifizierten Konstruktionsinformationen über semantische, pragmatische, und syntaktische Restriktionen auf der Ebene von Ereignis-Frames in einem einheitlichen Netzwerk erfasst und analysiert werden. Diese einheitliche Analyse bietet zwei entscheidende Vorteile. Erstens vereinfacht die Beschreibung der Distribution von Konstruktionen auf primär semantisch-pragmatischer Ebene die kontrastive Analyse von gleichartigen Konstruktionen in unterschiedlichen Sprachen. Zweitens erfüllt die hier vorgeschlagene Methode auch die in neueren Veröffentlichungen zu Parallelen der Valenzgrammatik und Konstruktionsgrammatik gemachten Vorschläge, unterschiedliche Abstraktionsgrade von Konstruktionen zu berücksichtigen. Ich danke Hans Ulrich Boas, Marc Pierce, Guido Halder, Martin Hilpert, Wolfgang Imo, Klaus Welke, Gert Webelhuth, Alexander Ziem und den Herausgebern für ihre Kommentare und Anregungen.
Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit der Frage, wie Argumente während des Sprachverstehens erkannt werden, welche Eigenschaften einem Argument in Abwesenheit des Verbs zugeschrieben werden und welche Art von Vorhersagen mit der Argumentinterpretation verbunden sind. Ausgehend von der Annahme, dass beim Sprachverstehen in Echtzeit jedes Wort so maximal wie möglich interpretiert wird, werden wir argumentieren, dass die zugrunde liegenden, sprachübergreifend zu findenden Mechanismen durch die Interaktion von typologisch motivierten Prominenzskalen (z.B. Belebtheitshierarchie) beschrieben werden sollten. Diese gestatten nicht nur eine Erklärung bestehender Befunde, sondern besitzen das Potenzial, zentrale Aspekte der Sprachverstehensarchitektur modelltheoretisch abzuleiten. Experimentell liegt der Fokus des Aufsatzes auf der Erfassung elektrophysiologischer-neuronaler Aktivierungsmuster, da diese uns im Gegensatz zu Urteilen oder Korpusverteilungen einen unmittelbaren Einblick in die Verarbeitung im Echtzeitbereich gestatten.
Die Sprechmaschine Wolfgang von Kempelens stellt in ihrer Art als erste grundsätzlich funktionierende Apparatur zur Sprachsynthese einen ganz besonderen Meilenstein in der Geschichte der Linguistik dar. Zwar gerieten Kempelen und seine Sprachforschung niemals völlig in Vergessenheit, doch sind seine und die Forschungen seiner Zeitgenossen heute nur noch einem eher kleinen Kreis näher bekannt. Im Rahmen dieser vom Autor ursprünglich als Magisterarbeit verfassten Abhandlung sollen der historische Kontext und die herausragende Leistung Kempelens detailliert dargestellt und kommentiert werden.
Einführung
(2011)
Editorial
(2011)
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Sprachvariation in Gesprächen in sozialsymbolisierender Funktion eingesetzt wird. Sie entstand vor dem Hintergrund der ethnographisch-soziolinguistischen Stadtsprachenforschung im Rahmen des Projekts "Kommunikation in der Stadt" von Inken Keim und Werner Kallmeyer, das sich mit dem Kommunikationsverhalten von Zugehörigen unterschiedlicher sozialer Milieus der Mannheimer Bevölkerung beschäftigt und unter anderem die sozial bedeutsame Verwendung von Sprachvariation analysiert. Bei der hier betrachteten Sprachvariation handelt es sich um die Variation zwischen Standard und dem Saarlouiser Dialekt, der zu den moselfränkischen Dialekten zählt. Ziel dieser Arbeit ist es, festzustellen, ob und wie sprachliche Symbolisierungen mit Hilfe von Sprachvariation gebildet werden. Es wird untersucht, wie bestimmte soziale Kategorien in der Selbst- und Fremddarstellung der Sprecher im Erzählen oder im Gespräch durch Sprachvariation ausgedrückt werden können und wie diese bewertet werden.
The article aims to examine grammatical features and pragmatic concerns of communicating in the Sciences. In the research of certain languages, it became common to explaingrammatical features such as the usage of passive voice and nominal structures by communication requirements such as objectivity and precision. With the assumption that communication in Science is designed to help gain and spread new insight, the authors tried to integrateseveral approaches to pragmatic and grammatical features of communication. By discussing therelationship between the grammar of certain languages and of the corresponding commonlanguage, the article also places the subject of communication in the Sciences in the discipline oflanguage Variation.
Der Beitrag diskutiert vor dem Hintergrund allgemeiner Eigenschaften von gesprochener Sprache in Interaktionen, inwiefern die Konstruktionsgrammatik (KxG) aus Sicht der Interaktionalen Linguistik (IL) eine geeignete Basis für eine Grammatik der gesprochenen Sprache abgeben kann. Affinitäten und Perspektivenunterschiede zwischen KxG und IL sowie Potenziale und Grenzen ihrer Integration werden aufgezeigt. Am Beispiel einer Untersuchung von dann und also als Inferenzindikatoren wird das konstruktionsgrammatische Zeichenverständnis problematisiert, und es werden einige generelle Überlegungen zum Stellenwert von Grammatik im Kontext einer Theorie der verbalen Interaktion formuliert.
Im empirisch ausgerichteten Projekt "Grammatische Variation im Deutschen" des IDS wollen wir den Sprachgebrauch in seiner Vielfalt und die tatsächlich wirksamen Regeln darstellen. Dazu schöpfen wir die heutigen Möglichkeiten einer Korpusgrammatik aus; wir analysieren auf einer möglichst großen Datenbasis grammatische Phänomene mit konkurrierender Varietät. Meine Studie ist die erste der Pilotstudien, die ein solches Vorgehen ausloten sollen. Dazu hat Noah Bubenhofer ein Versuchskorpus mit 176.405.282 Analysen von Zusammensetzungen aus Substantiven erstellt. Auf Basis dieses Korpus beschreibe ich die sprachgebräuchlichen Varianten von Wortformen und Fugenelementen in deutschen Zusammensetzungen, zum Beispiel in Tagtraum neben Tageslicht neben Tagedieb oder in Abfahrtsmöglichkeit neben Abfahrtmöglichkeit. Obwohl solche Varianten immer wieder zu Verwendungsunsicherheiten führen und in der Forschungsliteratur auch immer wieder als auffällig thematisiert werden, ist - wie Michel (2009, S. 334) feststellt - die systematische Beschreibung solcher Varianten ein Desiderat.
In diesem Beitrag befassen wir uns mit Aspekten der textuellen Verwendung von Possessiva im Deutschen, im Polnischen und im Ungarischen, die wir aus ihrem jeweiligen Formensystem und dessen Einbettung in das entsprechende Sprachsystem zu erklären suchen. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen Possessiva mit anaphorischen Bezügen, die in deutsch-, polnisch- und ungarischsprachigen Texten die Possessiva der 3. Person betreffen. Wir widmen uns insbesondere folgenden drei Fragen: (i) Welcher Formunterscheidungen bedienen sich das Deutsche, das Polnische und das Ungarische beim Gebrauch der Possessiva, um die Identifikation des richtigen Bezugsausdrucks im Text zu ermöglichen? (ii) Wie lassen sich die jeweiligen Formentscheidungen in den betreffenden Kontexten erklären? (iii) Welche textuelle Wirkung wird durch die Wahl der jeweiligen Formen erreicht? Diese Fragen werden auf Grund der durchgeführten empirischen Paralleltextanalysen beantwortet.
Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, drei der wichtigsten pragmatischen Aspekte der Sprechgattung Ermahnung im Deutschen und im Ukrainischen einer ausführlichen Analyse zu unterziehen, wobei es vor allem um die folgenden Aspekte geht:
- das kommunikative Ziel des Sprechers
- das Modell des Sprechers
- das Modell des Empfängers.
Um festzustellen, wie die Sprecher selbst Ermahnungen identifizieren und verwenden, wurde ein assoziatives Experiment unter 120 deutschen Germanistikstudenten an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Deutschland) und 120 Ukrainistikstudenten an der Nationalen Iwan-Franko Universität Lwiw (Ukraine) durchgeführt. Es ist vor allem der Versuch unternommen worden, das kommunikative Ziel des Sprechers sowie Modelle des Sprechers und des Empfängers in unterschiedlichen Situationen zu bestimmen, in denen Ermahnungen realisiert werden.
Im Beitrag werden die Methodologie und die Ziele eines Projekts vorgestellt, das anstrebt, auf der Grundlage eines breiten Korpus von Texten aus allen Ländern und Regionen des zusammenhängenden deutschen Sprachgebiets die Variation in der Grammatik der geschriebenen deutschen Standardsprache zu erfassen, in einem Handbuch zu dokumentieren und damit eine Basis sowohl für Grammatiken als auch für weitergehende grammatische Untersuchungen zu schaffen. Nach einleitenden Bemerkungen zum Projekt und zu der Frage, in welcher Relation die geplante „Variantengrammatik des Standarddeutschen“ zum bereits erhältlichen „Variantenwörterbuch des Deutschen“ von Ammon et al. (2004) steht, folgt ein Forschungsüberblick zur grammatischen Variation in der Standardsprache. Dann werden Beispiele für grammatische Variabilität in verschiedenen Phänomenbereichen gegeben, und es wird anhand von zwei Fallbeispielen gezeigt, wie eine grammatische Beschreibung dieser Phänomene aussehen kann. Um Angaben zur arealen Distribution grammatischer Varianten machen zu können, wird den Analysen ein Korpus zugrunde gelegt, das sich auf den geschriebenen Standard beschränkt und darunter den Sprachgebrauch in der Presse fasst. Das Korpus, das als Basis für die Erstellung der geplanten Variantengrammatik dient, wird im Beitrag kurz vorgestellt, außerdem wird erläutert, welche Zielsetzungen mit einer solchen Grammatik verbunden sind.
Vorwort
(2011)
Am 21. Juli 2011 fand am IDS eine Veranstaltung statt, die schon auf den ersten Blick vom Normalfall der im Hause stattfindenden Kolloquien abwich. In gewissem Maß gilt das schon für die hohe Zahl und die bunte Herkunft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dass diese dann aber mit einem musikalischen Vorspiel empfangen worden sind, spricht noch deutlicher davon, dass wir uns auf einer Veranstaltung befanden, die aus dem Rahmen der Kolloquien fällt, die sonst so dann und wann im Vortragssaal des IDS stattfinden. Es ist zweifellos ein exzeptioneller Anlass, dem diese Veranstaltung gewidmet war. Ihre Teilnehmer von innerhalb und außerhalb des Hauses waren zusammengekommen, um Gisela Zifonun, deren Zeit im aktiven Dienst des IDS mit dem Juli 2011 endete, in den Ruhestand zu verabschieden, ihr für ihre Arbeit und ihren Einsatz für das Haus zu danken und mit den Vorträgen, die ihr in diesem Rahmen präsentiert wurden, ihrer wissenschaftlichen Bedeutsamkeit Rechnung zu tragen. Es sind Stimmen aus verschiedenen Richtungen und aus unterschiedlichen Altersschichten unserer Wissenschaft, die hier zu Worte gekommen sind. Die angenehme Pflicht des Direktors des IDS war es, Frau Professor Zifonuns wissenschaftliche Entwicklung und ihre Leistungen nachzuzeichnen.
Nachruf auf Michael Clyne
(2011)
Nachruf auf Hugo Steger
(2011)
Schlussworte
(2011)
Zwischenräume – Phänomene, Methoden und Modellierung im Bereich zwischen Lexikon und Grammatik
(2011)
Der Beitrag führt in den Sammelband „Sprachliches Wissen zwischen Lexikon und Grammatik“ ein und diskutiert zunächst den Zusammenhang zwischen den drei Dichotomien Lexikon versus Grammatik, Wort versus Phrase und Idiosynkrasie versus Regel. Im Folgenden werden Varianten des Konstruktionsbegriffs dargestellt und hinsichtlich verschiedener Dimensionen analysiert. Einer Darstellung der im Zusammenhang mit der Lexikon-Grammatik-Abgrenzung diskutierten Phänomene und angewandten empirischen Methoden schließt sich eine Übersicht über die Aufsätze des Sammelbandes an.
Aus den Argumentstrukturen von Verben lassen sich vielfach eigenständige Argumentstrukturmuster mit idiosynkratischen formalen oder inhaltlichen Eigenschaften abstrahieren. Der Artikel zeigt, dass sich Ähnlichkeiten zwischen solchen Mustern nicht, wie von Goldberg (1995) vorgeschlagen, über das Konzept polysemer Argumentstrukturkonstruktionen erfassen lassen, sondern adäquater über ein Netz von Familienähnlichkeiten modelliert werden können. Die einzelnen Argumentstrukturmuster zeigen dabei eine Vielzahl von idiosynkratischen lexikalischen Kookkurrenzen, die spezifisch für die je einzelnen Argumentstrukturmuster sind und in einer implikativen Beziehung zu diesen stehen. Überlegungen zur angemessenen sprachtheoretischen Modellierung der Daten zeigen dabei sowohl Schwächen valenzbasierter Theorien als auch Mängel konstruktionsbasierter Ansätze auf.
In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über zentrale Gebiete der Prosodie des Lettischen und des Deutschen gegeben werden. Dabei werden Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Sprachen besonders berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Beschreibung stehen die zentralen prosodischen Kategorien Quantität, Akzent und Ton. Quantität wird für Einzellaute und Silben, Akzent und Ton werden für Wörter und Äußerungen behandelt. Für beide Sprachen wird detailliert auf die Vokalinventare und die Silbenstruktur eingegangen.
WordNet und FrameNet sind zwei umfangreiche lexikalische Ressourcen. Obwohl sie auf unterschiedlichen Theorien der lexikalischen Organisation basieren und die semantischen und syntaktischen Eigenschaften von Verben in beiden Ressourcen unterschiedlich dargestellt werden, wird mit beiden das Ziel verfolgt, die Regelmäßigkeit des Lexikons hervorzuheben. Seit Levin (1993) ist bekannt, dass die Selektion und Projektion von Argumenten eng mit den semantischen Eigenschaften von Verben zusammenhängt, und dass eine syntaktisch basierte Klassifikation des Verblexikons semantisch homogene Klassen ergibt. In diesem Beitrag werden die unterschiedlichen Ansätze von WordNet und FrameNet, das Verblexikon einheitlich zu klassifizieren, bewertet. Es wird ein laufender Versuch beschrieben, beide Ressourcen teilweise miteinander abzugleichen, indem ausgewählte Verben in einem großen Korpus zunächst manuell mit Bezug auf Einträge in WordNet und FrameNet annotiert werden. Anschließend werden verschiedene Ansätze zur automatischen Abgleichung, wie z.B. der des deutschen SALSA-Projekts, im Überblick dargestellt.
Wie kann man über Gefühle sprechen? Sprachliche Mittel zur Thematisierung von Erleben und Emotionen
(2011)
Vorgestellt werden Ziele und erste Ergebnisse des Projektes „Univerbierung“ am Institut für Deutsche Sprache. Das Projekt untersucht in verschiedenen Korpora, ob sich Prozesse der Univerbierung quantitativ belegen lassen. In Form von Univerbierungsprofilen sollen Univerbierungsverläufe dargestellt werden, d.h. die quantitativen Veränderungen, die zeitlich im Verhältnis der Getrennt- und Zusammenschreibungen eintreten (Kap. 1 und 2). Zugleich wird dabei methodologisch reflektiert, ob und inwieweit diese Korpora für solche Untersuchungen geeignet sind (Kap. 3). Exemplarisch werden einige Univerbierungsprofile vorgestellt (Kap. 4). Es handelt sich zum einen um Beispiele, bei denen sich die Normlage im Zuge der Rechtschreibreform nicht geändert hat, und zum anderen um solche, bei denen sie im Untersuchungszeitraum (1985-2008) verändert wurde. Die Untersuchungen zielen in der Perspektive darauf ab, Faktoren herauszuarbeiten, die Univerbierungsprozesse fördern bzw. hemmen, und aufzuklären, was Schreiber(-innen) als ein Wort gilt. Dies kann dazu beitragen, empirisch gestützt Komponenten des Wortkonzepts zu ermitteln (Kap. 5).
Gesprächstraining
(2011)
Solo di recente le tipologie testuali turistiche, generi di testo che svolgono un ruolo molto importante nella comunicazione specialistica, sono diventate oggetto di interesse per gli studi linguistici. L’articolo presenta gli esiti di un’analisi contrastiva (tedesco-italiano) di cataloghi turistici dal punto di vista microstrutturale, con particolare attenzione per la sintassi, il lessico e i mezzi stilistici più frequentemente utilizzati. L’indagine palesa come i cataloghi siano una tipologia testuale che si presta a molteplici applicazioni sia in didattica che in lessicografia.
DIL ist ein deutsch-italienisches Online-Fachwörterbuch der Linguistik. Es ist ein offenes Wörterbuch und mit diesem Beitrag wird für eine mögliche Zusammenarbeit, Kollaboration plädiert. DIL ist noch im Aufbau begriffen; zur Zeit ist nur die Sektion DaF komplett veröffentlicht, auch wenn andere Sektionen in Bearbeitung sind. Die Sektion LEX (Lexikographie), die zur Veröffentlichung ansteht, wird zusammen mit den wichtigsten Eigenschaften des Wörterbuches präsentiert.
In diesem Beitrag soll zunächst der Hintergrund des DWDS-Wörterbuchs dargestellt werden. Im zweiten Abschnitt erfolgt eine kurze Charakterisierung des im DWDS-Wörterbuch verwendeten Kollokationsbegriffs. Dessen Einbettung in die Wörterbuchstruktur des DWDSWörterbuchs wird im dritten Abschnitt beschrieben. Das eigentliche digitale Herzstück der Kollokationsbeschreibung im DWDS-Wörterbuch ist das DWDS-Wortprofil, eine auf syntaktischer Analyse und statistischer Auswertung basierende automatische Kollokationsextraktion, deren Grundlagen und Qualität in Abschnitt 4 dargestellt werden. In Abschnitt 5 soll anhand einiger Beispiele illustriert werden, wie die Arbeitsteilung der automatischen Kollokationen und der lexikographischen Intuition in der täglichen lexikographischen Arbeit aussieht. Schließlich geben wir im letzten Abschnitt einen Ausblick auf die künftige Arbeit.
Deutsche oder englische Komposita wie Wasserschloss und handhag realisieren denselben Typ nominaler Bcgriffsbildung wie französisch chateau d'eau bzw. sac a main. Fs handelt sich um den funktionalen Typ der klassifikatorischen Modifikation, bei der ein nominaler Begriff (Schloss, Tasche) zu einem anderen Begriff (Wasser, Hand) in Beziehung gesetzt wird, in der Weise, dass ein Unterbegriff entsteht. Bei der funktionalen Analyse von Nominalphrasen, denen wir insgesamt die Funktion der Referenz auf konkrete oder abstrakte Gegenstände zuweisen, sind sprachübergreifend drei Teilaufgaben zu unterscheiden: die Nomination, die Determination und die Modifikation. Bei der Modifikation unterscheiden wir zwischen referentieller und begrifflicher Modifikation, letztere mit den Untertypen qualitativ und klassifikatorisch. Wir stellen insgesamt sechs Strukturtypen klassifikatorischer Modifikation vor. die zum Teil sprachübergreifend im Deutschen und Französischen (und weiteren europäischen Vergleichssprachen) genutzt werden. z.T. sprachspezifisch sind. Korrelationen zwischen Merkmalen der formalen Strukturtypen und den semantischen Eigenschaflen klassifikatorischer Modifikation, wie Nicht-Referentialität und Offenheit der Beziehung zwischen den Teilen des komplexen Begriffs, werden aufgezeigt und entsprechende Beschränkungen formuliert. So kann eine Markicrtheitsordnung der Strukturmuster angegeben werden: Unmarkierte Muster zeigen eine optimale Form-Funktions-Abstimmung und sind ausschließlich klassifikatorisch zu interpretieren: bei markierten Mustern wird formal o der semantisch von diesem Modell abgewichen.
Wenn man einen Blick in die traditionellen Grammatiken wirft, so wird man feststellen, dass die Struktur der deutschen Sprache hier eher isoliert beschrieben wird, das heißt, dass sich die Beschreibung grammatischer Phänomene auf das Deutsche konzentriert. Hierbei handelt es sich sicherlich um fundierte Analysen der deutschen Sprachstruktur, die wichtige Einblicke und Erkenntnisse liefern. Allerdings hat diese einzelsprachlich orientierte Betrachtungsweise einen entscheidenden Nachteil – die Besonderheiten einer Sprache können so gar nicht erfasst werden, da sich die spezifischen Charakteristika natürlich erst im Vergleich mit anderen Sprachen zeigen. Mit anderen Worten: Wenn nur das Deutsche betrachtet wird, lassen sich gar keine Aussagen darüber treffen, was nun charakteristisch für diese Sprache ist. Ebenso wenig lassen sich Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachen herausstellen. Phänomene, die nicht nur auf eine Sprache beschränkt sind, sind aber wiederum von Bedeutung für die linguistische Theoriebildung.
Wie versteht ein Hörer oder Leser die von einem Sprecher oder Schreiber beabsichtigte Bedeutung? Syntaktische Strukturen sind zu allgemein, um feine Bedeutungsunterscheidungen auszudrücken. Wörter sind oft sehr mehrdeutig, und aufgrund dessen unzuverlässig als „Bedeutungsleitfaden“. Im Gegensatz dazu zeigt die Korpusmusteranalyse, dass die meisten Äußerungen aus Mustern von vergleichsweise geringer Mehrdeutigkeit aufgebaut sind. Daher stellt sich die Frage: Was ist ein Muster? Muster sind häufig verwendete Sprachbausteine, die aus zwei Elementen bestehen: Valenzen und Kollokationen. Während Valenzen relativ stabil sind, sind Kollokationen extrem variabel. In der Korpusmusteranalyse wird eine große Anzahl von Gebrauchsbelegen jedes Wortes studiert, und seine Kollokationen werden, ihren semantischen Typen entsprechend, lexikalischen Sets zugeordnet.
Jedes Wort einer Sprache ist Bestandteil von mindestens einem Muster. Wenn es Teil von mehr als einem Muster ist, können die Bedeutungen seiner Muster meist durch unterschiedliche Kollokations-Präferenzen unterschieden werden.
Kreative Benutzungen sind Abweichungen von normalen Nutzmustern, aber Abweichungen sind selbst regelgeleitet. Daher benötigt man eine Theorie von Normen und Abweichungen. Da die zwei Regelsysteme interagieren, können wir die Theorie als eine „Doppelhelix“ beschreiben.
Kollokationen sind nach unserem Verständnis phraseologische Kombinationen aus zwei Lexemen, die in einer Sprachgemeinschaft konventionalisiert und deren Elemente semantisch ungleichgewichtig sind: Eines wird in derselben Weise verwendet wie in kompositionellen Wortkombinationen (Basis), das andere (Kollokator) erhält seine spezifische Bedeutung nur innerhalb der Kollokation.
Der Artikel diskutiert Möglichkeiten, Kollokationen in Texten zu identifizieren, die für die deutschen Nationalvarietäten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol typisch sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf methodischen Fragen: Lassen sich mit einfachen, im Wesentlichen frequenzbasierten Werkzeugen Kollokationsunterschiede zwischen Österreich und Deutschland, der Schweiz und Deutschland, usw. aufweisen? Wie können die Spezifika der Kollokationswahl in den einzelnen Nationalvarietäten anhand von Korpora genauer dokumentiert werden? Sind Varietäten nur in Bezug auf die Kollokatorenwahl spezifisch, oder auch bezüglich morphosyntaktischer Präferenzen (z.B. Artikelgebrauch etc.)?
Kollokationen stellen einen noch zu wenig beachteten Teilbereich der Phraseologie dar. Sie sind bisher in den Wörterbüchern unzureichend erfasst und werden auch nicht systematisch gelehrt und gelernt. Es lassen sich zwei Typen von Kollokationen unterscheiden, die sowohl eine strukturelle als auch eine statistische Herleitung nutzen und beide für die unauffällige und kompetente Sprachproduktion im Alltag von Bedeutung sind. Angesichts der großen Zahl der auffindbaren Kollokationen ist zu differenzieren und zu gewichten: a) Es steht lexikografisch zunächst die Unterstützung bei der Sprachproduktion im Vordergrund sowie b) der Grundwortschatz bzw. Basiswortschatz und es sind c) die Unterscheidung von typischen Wortverbindungen und gebräuchlichen Wortverbindungen ('den Hund loslassen' vs. 'den Hund anleinen/an die Leine nehmen') vorzunehmen.
In der letzten Zeit wurde aus verschiedenen linguistischen Teildisziplinen heraus versucht, die Anwendbarkeit der Construction Grammar in Bereichen wie beispielsweise der Gesprächsforschung zu überprüfen. Für die Gesprächsforschung bzw. Interaktionale Linguistik bietet die Construction Grammar einen viel versprechenden theoretischen Rahmen, da sich viele der Grundannahmen von Construction Grammar und Interaktionaler Linguistik/Gesprächsanalyse decken. Trotz dieser positiven Übereinstimmungen führt das zeichenbasierte Konzept der Konstruktionsgrammatik zu Problemen bei der Analyse gesprochener Sprache. Häufig können bestimmte Phrasen, Satzmuster oder Wörter nicht bestimmten Konstruktionen eindeutig zugeordnet werden, da zu ihrem Verständnis Kontextinformationen nötig sind oder da sie die Merkmale mehrerer Konstruktionen teilen. Anhand dreier problematischer Fälle aus dem gesprochenen Deutsch, bei denen das Konzept, Konstruktionen als Zeichen zu betrachten, zu Problemen führt, werden die Grenzen des konstruktionsgrammatischen Modells aufgezeigt. In einem zweiten Schritt wird als Lösungsvorschlag die Theorie der Granularität nach Bittner/Smith (2001a und b, 2003) vorgestellt, die dazu entwickelt wurde, „to map vague concepts onto crisp portions of reality“ (Bittner/Smith 2011a, S 1). Zuletzt wird eine granulare Re-Analyse der eingangs vorgestellten Problemfälle vorgenommen.
Industrielle Prozessmodellierung als kommunikativer Prozess. Eine Typologie zentraler Probleme
(2011)
Der Beitrag diskutiert mündliche Interaktionen als Bestandteil industrieller Prozessmodellierungsmethoden unter dem Aspekt der dabei auftretenden kommunikativen Probleme und ihrer systematisierenden Darstellung. Die vorgestellte Typologie stützt sich auf die gesprächsanalytische Auswertung authentischer Daten einer Feldstudie, in der die Methodik der industriellen Prozessmodellierung in einem Unternehmen exemplarisch durchgeführt wurde. Die Methodik ist kommunikationsintensiv; sie enthält ein breites Spektrum mündlich, schriftlich und grafisch-symbolisch zu bearbeitender Aufgaben. Die ermittelten Probleme ihrer Bearbeitung lassen sich drei Bereichen zuordnen: vorhabensbezogene, arbeitsorganisationsbezogene und kommunikationsbezogene Probleme. Jeder Bereich umfasst Untertypen von Problemen, die aus dem Vollzug sprachlich-kommunikativer Handlungen resultieren und/oder sich sprachlich manifestieren. Zwei weitere Problembereiche – Transformations- und Multimodalitätsprobleme – werden genannt, aber nicht ausführlich behandelt. Die Ergebnisse der Studie werden für die Gestaltung von Kommunikationstrainings für Ingenieure genutzt.
Grammatik ohne Wörter?
(2011)
Am Beispiel des Deutschen wird gezeigt, dass verschiedene Strategien, die traditionelle Unterscheidung zwischen Wörtern und Syntagmen so zu modifizieren, dass sie die sehr differenzierten Daten vollständig, detailliert und widerspruchsfrei erfasst, zur inhaltlichen Entleerung dieser Unterscheidung führen und sie damit letztlich überflüssig machen. Das gilt sowohl für die populäre Aufspaltung von Wort vs. Syntagma in mehrere spezifischere Kategorienpaare (phonologisches Wort vs. phonologisches Syntagma, graphematisches Wort vs. graphematisches Syntagma usw.) als auch für ihre Umdeutung als Prototypen- oder Default-Kategorien. Allerdings kann man an der Unterscheidung zwischen Wörtern und Syntagmen festhalten, wenn man Einschränkungen der Vollständigkeit, Detailtreue oder Widerspruchsfreiheit in Kauf nimmt (wie in der linguistischen Praxis oft unumgänglich). Diese Überlegungen übertragen sich auf die auf Wort vs. Syntagma beruhenden Abgrenzungen linguistischer Teilgebiete, wie Syntax vs. Morphologie vs. Phraseologie, z.T. auch Grammatik vs. Lexikon.
Der Lehrer, der an der Tafel steht und rechnet, gilt als Inbegriff des Mathematikunterrichts. Der Topos kommt nicht von ungefähr: Das Lösen von Übungsaufgaben im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch nimmt bei der Vermittlung von Mathematik zumindest in den oberen Schulstufen nach wie vor eine wichtige Stellung ein. Doch was macht eine Lehrperson genau, wenn sie gemeinsam mit den Lernenden eine Übungsaufgabe löst? Der vorliegende Beitrag gibt eine empirisch fundierte Antwort auf diese Frage. Er beruht auf audiovisuellen Aufnahmen, die in einer Mathematikstunde an einer Fachhochschule entstanden. Die Analyse zeichnet das konkrete Handeln eines Dozenten nach, der an der Tafel die Lösung einer Übungsaufgabe zu Ungleichungen erarbeitet. Der Dozent reagiert damit auf die Bemerkung einer Studentin, sie könne mit dem Thema ‘Ungleichungen’ „gar nichts anfangen“. Das Lösen der Aufgabe lässt sich also als Verfahren konzeptionalisieren, mit dem der Dozent eine konkrete Anforderung bearbeitet, die sich aus der Interaktion mit den Studierenden ergeben hat.
Im Rahmen einer von der DFG geförderten Forschergruppe „Sprachvariation als kommunikative Praxis: Formale und funktionale Parameter“ (2000-2004), die aus Projekten der Universität Mannheim und dem IDS bestand, entwickelte sich eine enge Kooperation zwischen Uni- und IDS-Wissenschaftler(inne)n. Angeregt durch die bildungspolitischen Diskussionen im Anschluss an die PISA-Studien (schlechte Schul- und Ausbildungsergebnisse bei Migrantenkindern, hohe Arbeitslosenquote bei Migrantenjugendlichen)1 und bestärkt durch erste Ergebnisse aus unseren Untersuchungen zur sprachlichen und sozialen Situation von Migrantenkindern und Jugendlichen in Mannheim, 2 entstand die Idee zur Entwicklung und Durchführung von Sprach- und Wissensförderung für Migrantenkinder an Mannheimer Schulen. Das staatliche Schulamt Mannheim unterstützte die Initiative zur Förderung von Migrantenkindern von Beginn an.
In den letzten Jahren entwickelten sich in vielen europäischen Großstädten unter Jugendlichen der 2. und 3. Migrantengeneration ethnolektale Formen des Deutschen. Sie sind charakteristisch für multilinguale Kontexte, in denen Sprecher unterschiedlicher Herkunftssprachen die regionale Umgangssprache des Landes, in dem sie leben, als lingua franca benutzen. Die neuen Formen haben große Überschneidungsbereiche mit den regionalen Varietäten, unterscheiden sich aber prosodisch- phonetisch, lexikalisch und morphosyntaktisch. Meist werden sie nur in bestimmten Kontexten verwendet, und die Sprecher wechseln virtuos zwischen regionalen Varietäten, Herkunftsvarietäten, sprachlichen Mischungen und ethnolektalen Formen.
Auf der Basis von drei ethnografischen Fallstudien in Mannheim wird gezeigt, wie die von den Migrantenjugendlichen entwickelten ethnolektalen Formen aussehen und zu welchen Zwecken die Jugendlichen sie verwenden. Die Jugendlichen haben ein weites Sprachrepertoire, verfugen über ethnolektale sowie standardnahe Formen und nutzen die Differenz zwischen beiden als kommunikative Ressource.
In dieser ersten Fallstudie geht es um die Rekonstruktion der Entwicklung eines „brisanten“ Themas im Englisch-Unterricht. Aus der Bearbeitung der aktuellen Aufgabe „Steckbriefe prominenter Personen verfassen, vorlesen und erraten“ entsteht in mehreren Etappen das Thema „nationale Identität“, an dem sich unterschiedliche Schüler und der Lehrer beteiligen. Wir beschreiben zunächst, aus welchem schulischen Zusammenhang der für die Analyse ausgesuchte Videoausschnitt stammt (Kap. 2). Dabei stellen wir auch kurz den Unterrichtszusammenhang dar, der dem analysierten Ausschnitt vorausgeht (Kap. 3). Dieser wiederum verdeutlicht, aus welchem konkreten Zusammenhang sich das „brisante Thema“ entwickelt und unter welchen Bedingungen dies geschieht. Danach rekonstruieren wir die schrittweise Entstehung dieses Themas (Kap. 4). Im Anschluss daran konzentrieren wir uns auf die interaktive Beteiligungsweise des Lehrers und fragen nach den konkreten Anforderungen, die sich für ihn aus der thematischen Entwicklung ergeben (Kap. 5) und nach den Verfahren, die er zur Bearbeitung dieser Anforderungen einsetzt (Kap. 6). Weiter verdeutlichen wir die mit den Verfahren verbundenen Implikationen in Begriffen von „Chancen und Risiken“ (Kap. 7) und beschreiben den Zusammenhang von unterrichts- und fachspezifischen Ressourcen der vom Lehrer eingesetzten interaktiven Verfahren (Kap. 8). Eine kurze Schlussbemerkung vervollständigt unsere Darstellung (Kap. 9).
Kombinationen aus Präposition und artikelloser Nominalprojektion, deren syntaktischer Kopf ein zählbares Substantiv im Singular ist, fristeten lange Zeit ein Schattendasein in der Grammatikschreibung. Sie wurden ignoriert oder als Ausnahmen beschrieben, obwohl sie offenkundig regelhaft gebildet werden. Im vorliegenden Aufsatz verwenden wir computerlinguistische Verfahren, insbesondere „Annotation Mining“ und logistische Regression, um die syntaktische Distribution dieser Kombinationen zu charakterisieren und anhand zweier Präpositionen (‚ohne‘ und ‚unter‘) detailliert die Realisationsbedingungen zu bestimmen.
Die beachtlichen Unterschiede zwischen den Dialekten des Deutschen stehen in Zusammenhang mit der territorialen Zersplitterung des deutschsprachigen Gebiets bis ins 19. Jahrhundert. In gewisser Weise spiegelt die dialektale Vielfalt das dezentrale, plurizentrische Herrschaftsmodell wider, das für das vornationale Heilige Römische Reich charakteristisch ist, bei dem sich kein dauerhaftes Machtzentrum mit sprachlicher Modellwirkung, wie bspw. Paris in Frankreich, herausbilden konnte.
Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, welche lexikographischen Traditionen bei der Beschreibung von Bedeutung und Verwendung der Stichwörter in elexiko, einem Online-Wörterbuch zur deutschen Gegenwartssprache, fortgesetzt werden. Gezeigt wird anhand verschiedener Beispiele auch, wie dieses Internetwörterbuch über das tradierte Beschreibungsinventar in allgemeinsprachigen Bedeutungswörterbüchern hinausgeht. Hieraus leiten sich einige Fragen zur Zukunft des Typs .Bedeutungswörterbuch’ ab.
Einleitung
(2011)
elexiko ist ein im Aufbau befindliches Online-Wörterbuch, d. h. es ist ständigen Änderungen in Form von Korrekturen oder Ergänzungen unterworfen. Diese betreffen sowohl die Stichwortliste als auch die lexikografischen Angaben. In diesem Beitrag sollen einige kleinere konzeptionelle Entscheidungen und offene Fragen, die in den anderen Beiträgen in diesem Sammelband noch nicht thematisiert wurden, zusammengefasst werden.
In diesem Beitrag geht es einerseits um eine Definition dessen, was korpusgestützte Lexikographie ist, und andererseits um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Praxis korpusgestützter Lexikographie. Dabei wird ein Schwerpunkt gelegt auf allgemeinsprachige Wörterbücher der Gegenwartssprache, deren Inhalt die Beschreibung von Bedeutung und Verwendung von Lexemen ist. Außerdem liegt die Einschätzung zugrunde, dass die Auswertung elektronischer Korpora die Wörterbucharbeit weitgehend positiv beeinflusst und verändert, vorausgesetzt, dass zugrunde gelegte Korpus wurde für das geplante Wörterbuch so gut wie möglich in Umfang und Zusammensetzung eingerichtet.
Vorwort
(2011)
Der Band versammelt 18 Beiträge zur verbalen Wortbildung des Deutschen, die auf Vorträge bei einem internationalen Kolloquium in Nancy im Dezember 2006 zurückgehen. Die Herausgeber stellen in ihrem Vorwort (S. VII-X) die einzelnen Beiträge vor, sagen aber nichts dazu, warum das Thema „Verbale Wortbildung“ für das jährliche Kolloquium der französischen Germalinguisten ausgewählt wurde. Dem Rückseitentext ist dagegen zu entnehmen, warum die Untersuchungen veröffentlicht wurden: Es mangelt zwar nicht an Publikationen über die Wortbildung des Deutschen, aber die verbale Wortbildung ist bis jetzt eher stiefmütterlich behandelt worden, was vielleicht an der außerordentlichen Komplexität dieser Frage liegt. Der vorliegende Band möchte deshalb den zahlreichen noch offenen Fragen in diesem Bereich gerecht werden und die wichtigsten typologischen, semantischen, orthografischen und syntaktischen Probleme der verbalen Wortbildung erörtern.
Im vorliegenden Beitrag werden Ergebnisse aus zwei Benutzungsstudien präsentiert, die zum Wörterbuch elexiko im Januar bzw. März 2011 realisiert wurden. Wörterbuchbenutzungsforschung für ein neu konzipiertes, noch im Aufbau befindliches, umfangreiches Onlinewörterbuch zur deutschen Gegenwartssprache wie elexiko ist bislang nur in geringem Umfang durchgeführt worden.Dabei ist der Bedarf an Klärung der Benutzerbedürfnisse und -meinungen insgesamt groß. Solch eine Klärung kann einerseits als Bestätigung von Entscheidungen, die für Inhalt und Präsentation des Wörterbuchs getroffen wurden, dienen. Sie dient andererseits aber auch als Anregung für deren Verbesserung auf der Grundlage nicht vermeintlicher, sondern tatsächlicher Bedürfnisse und Meinungen zur Wörterbuchbenutzung.
Einleitung
(2011)
Varietäten im Diskurs
(2011)
Der Beitrag präsentiert ausgewählte Ergebnisse einer Untersuchung zum Dialekt-Standard-Gebrauch in einer Schulklasse im mittelschwäbischen Sprachraum (vgl. KNÖBL 2008). Dabei wird auf das Erkenntnisinteresse, die Datengrundlage und die Analysemethode eingegangen. An Analysebeispielen wird gezeigt, dass sich die in der Untersuchung kombiniert eingesetzten quantitativ und qualitativ orientierten methodischen Verfahren ergänzen. Die variablenanalytisch und interaktionsanalytisch gewonnenen Ergebnisse belegen, dass bei den untersuchten Lehrern und Schülern der Gebrauch linguistischer Formen strukturiert ist und in Bezug zu kommunikativen Anforderungen steht.
Vorwort / Preface
(2011)
Der Beitrag reflektiert den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Umbrüchen und sprachlichen Veränderungen. Am Beispiel der Geschichte des 20. Jahrhunderts soll dieser Zusammenhang exemplifiziert werden. Dieses Jahrhundert der Extreme ist gesellschaftlich und politisch gekennzeichnet von Demokratisierungs-, Entdemokratisierungs- und Redemokratisierungsschüben. Insofern ist Demokratie die Schlüsselsignatur dieser Veränderungen, im Sinn von Schaffung, Zerstörung und Wiedererschaffung von Demokratie. Die diskursiven und lexikalisch-semantischen Verschiebungen des 20. Jahrhunderts können unter dieser Voraussetzung als Reflektionen dieser demokratiegeschichtlichen Brüche verstanden werden.
Schreiben und Redigieren stellen hohe kognitive Anforderungen an Autoren. Selbst publizierte Texte sind nie ganz fehlerfrei. Für viele Fehler kann man die Entstehung rekonstruieren: Funktionen in Textbearbeitungsprogrammen sind zeichenbasiert und berücksichtigen nicht die Elemente und Strukturen der jeweiligen verwendeten Sprache. Autoren müssen ihre Redigierabsichten in eine lange, komplexe Folge solcher zeichenbasierten Funktionen übersetzen.
Editoren für Programmierer hingegen bieten seit langem sprachspezifische Editierfunktionen, die auf den Elementen und Strukturen der verwendeten Programmiersprache operieren. Diese Funktionen tragen dazu bei, das Ändern von Programmcode zu erleichtern und Fehler zu vermeiden.
In dieser Arbeit übertragen wir das Prinzip solcher sprachspezifischen Funktionen in Programmiereditoren auf Funktionen für die Bearbeitung natürlichsprachlicher Texte. Wir entwickeln das Konzept der linguistisch unterstützten Redigierfunktionen unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse der Schreibforschung. Wir definieren Informations-, Bewegungs- und Modifikationsfunktionen, die auf Elementen und Strukturen natürlicher Sprache operieren. Solche Funktionen sollen Autoren entlasten und helfen, typische Fehler zu vermeiden.
Sprachspezifische Funktionen beruhen auf Methoden zur Erkennung und Bestimmung relevanter Elemente und Strukturen. Wir verwenden dazu computerlinguistische Ressourcen zur morphologischen Analyse und Generierung und zur automatischen Wortartenbestimmung. Die Evaluation verfügbarer Ressourcen ergibt, dass die Situation für die Behandlung des Deutschen nicht so vielversprechend ist, wie ursprünglich angenommen und üblicherweise in der Literatur dargestellt.
Unsere prototypische Implementierung linguistisch unterstützter Redigierfunktionen für die Bearbeitung deutscher Texte zeigt die Möglichkeiten und Grenzen des Konzepts unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit heute verfügbarer computerlinguistischer Ressourcen und der Eigenschaften des Deutschen.
Der Beitrag bietet einen Analysevorschlag für ereignisbezogene adverbiale Modifikatoren beim Zustandspassiv, der ihr Auftreten in verbaler Umgebung mit der adjektivischen Natur des Zustandspassivs in Einklang bringt. Grundlage hierfür ist eine empirisch breit abgesicherte Argumentation für das Vorliegen einer besonderen strukturellen Nähe zwischen Modifikator und Partizip, die gleichsam eine kompakte Einheit in der Übergangszone zwischen Wort und Phrase bilden. Diese Sicht macht den Weg frei für eine strikt kompositionale Semantik des Zustandspassivs samt adverbialen Modifikatoren.