Die Dialektologie und ihre (neuen) Räume
- Der Beitrag beleuchtet unterschiedliche Raumkonzeptionen, welche die Dialektologie als „Raumlinguistik“ im letzten halben Jahrhundert geprägt haben. So spielt Raum als physisch-materieller Erdraum in der Dialektologie nach wie vor eine zentrale Rolle und wird als Bedingungsrahmen für die diatopische Sprachvarianz verstanden. Räume gänzlich anderer Natur sind Räume, die aus dialektgeografischen Abstraktionsprozessen resultieren und sich aus Verteilungen sprachlicher Größen im physisch-materiellen Raum ergeben. Zur außersprachlichen Erklärung diatopischer Variation werden solche sprachräumlichen Verteilungen mit erdräumlichen Gegebenheiten, mit politischen Territorien oder kulturräumlichen Verteilungen abgeglichen. Wegen der Beliebigkeit der für den Abgleich ausgewählten dialektalen Variablen ist dieses Vorgehen lange Zeit etwas in Verruf geraten, wird heute jedoch mit dialektometrischen Verfahren dem willkürlichen Zugriff entzogen und neu lanciert. Raum als immaterielle Ordnungsstruktur wird – nicht nur in der Linguistik – als probates Instrument genutzt, um Gedachtes metaphorisch zu ordnen. Insbesondere die Sozio- oder kommunikative Dialektologie, die seit ein paar Jahrzehnten die monodimensionale Grundmundarten-Dialektologie aufbricht, hat mit Konzepten wie „Variantenraum“ oder „sozialer Raum“ ihren Gegenstandsbereich faß- und vermessbar gemacht. Seit einiger Zeit erfährt der „erlebte Raum“ im Rahmen der sogenannten Wahrnehmungsdialektologie lebhaften Zuspruch. Diese dialektologische Ausrichtung erkundet die sprachraumbezogenen Alltagskonzepte und die Perzeption sprachlicher Größen und verspricht sich davon u.a. Aufschluss darüber, ob sprachräumliche Vorstellungen als Steuerungsgrößen für dialektale Stabilität oder dialektalen Wandel veranschlagt werden können. An Beispielen aus einem laufenden Forschungsprojekt, das sich mit einer Region in der Innerschweiz befasst, werden ethnodialektale Raumvorstellungen präsentiert und zu objektiven Sprachbefunden in Bezug gesetzt.
Author: | Helen Christen |
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DOI: | https://doi.org/10.1515/9783110401592.353 |
Parent Title (German): | Sprachwissenschaft im Fokus. Positionsbestimmungen und Perspektiven |
Series (Serial Number): | Jahrbuch / Institut für Deutsche Sprache (' 2014) |
Publisher: | de Gruyter |
Place of publication: | Berlin [u.a.] |
Document Type: | Part of a Book |
Language: | German |
Year of first Publication: | 2015 |
Date of Publication (online): | 2018/12/07 |
Publicationstate: | Veröffentlichungsversion |
Reviewstate: | (Verlags)-Lektorat |
GND Keyword: | Dialekt; Sozialraum; Sprachgeografie |
First Page: | 353 |
Last Page: | 378 |
DDC classes: | 400 Sprache / 430 Deutsch |
Open Access?: | ja |
BDSL-Classification: | Deutsche Mundarten |
Leibniz-Classification: | Sprache, Linguistik |
Linguistics-Classification: | Dialektologie / Sprachgeografie |
Licence (German): | ![]() |