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Sprachverfall? Sprachliche Evolution am Beispiel des diachronen Funktionszuwachses des Apostrophs im Deutschen

  • In der emotional geführten Sprachverfallsdebatte wird besonders die Apostrophsetzung vor dem Genitiv- und dem Plural-t, vulgo Deppen-Apostroph, kritisiert und als vermeintliche Entlehnung aus dem Englischen stigmatisiert. Erst seit kurzem liegen mit Scherer (2010, 2013) korpusbasierte Untersuchungen vor, die eine angemessene Interpretation dieses graphematischen Wandels erlauben, der weitaus älter ist als gemeinhin vermutet. Generell erweist sich, dass viele als neu und bedrohlich empfundene Sprachveränderungen bereits vor über hundert Jahren meist ebenso emotional gegeißelt wurden. Der Beitrag befasst sich hauptsächlich mit der diachronen Entwicklung des phonographischen Apostrophs zu einem morphographischen, dessen Funktion nun nicht mehr darin besteht, nicht-artikulierte Laute zu markieren, sondern morphologische Grenzen (Uschis, Joseph K.’s, CD’s). Deutlich wird, dass der Apostroph der Gestaltschonung komplexer Basen dient, deren Gros aus Eigennamen besteht. Anschließend wird in einem kürzeren Teil nach der Entstehung und Beschaffenheit dieser s-Flexive selbst gefragt. Diese sind ihrerseits Ergebnis flexionsmorphologischer Umstrukturierungen und garantieren maximale Konstanthaltung des Wortkörpers. Abschließend wird noch die neueste Entwicklung gestreift, die in der Deflexion ebendieser s-Flexive besteht und die sich wieder am deutlichsten bei den Eigennamen manifestiert. Diese haben als Quelle all dieser Entwicklungen zu gelten (vgl. des Irak, des Helmut Kohl, auch des Perfekt, des LKW, des Gegenüber). Insgesamt ist festzustellen: Nicht nur die Apostrophsetzung vor s-Flexiven, sondern auch die s-Flexive selbst sowie ihr derzeitiger Abbau dienen ein und derselben Funktion: Der Schonung durch Konstanthaltung markierter Wortkörper, worunter mehrheitlich Eigennamen fallen, daneben auch Fremdwörter, Kurzwörter und Konversionen. Damit sind es die Eigennamen, die Ausgangspunkt und Ursache tiefgreifenden flexionsmorphologischen und graphematischen Wandels bilden.

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Metadaten
Author:Damaris Nübling
DOI:https://doi.org/10.1515/9783110343007.99
Parent Title (German):Sprachverfall? Dynamik - Wandel - Variation
Series (Serial Number):Jahrbuch / Institut für Deutsche Sprache (`2013)
Publisher:de Gruyter
Place of publication:Berlin [u.a.]
Editor:Albrecht Plewnia, Andreas Witt
Document Type:Part of a Book
Language:German
Year of first Publication:2014
Date of Publication (online):2018/12/05
Publicationstate:Veröffentlichungsversion
Reviewstate:(Verlags)-Lektorat
GND Keyword:Apostroph; Diachronie; Historische Grammatik; Sprachwandel
First Page:99
Last Page:123
DDC classes:400 Sprache / 430 Deutsch
Open Access?:ja
Leibniz-Classification:Sprache, Linguistik
Linguistics-Classification:Sprachgeschichte
Licence (German):License LogoUrheberrechtlich geschützt