@incollection{Wiegand2019, author = {Wiegand, Herbert Ernst}, title = {Fremdw{\"o}rterb{\"u}cher und Sprachwirklichkeit}, booktitle = {Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Aktueller lexikalischer Wandel}, editor = {Stickel, Gerhard}, isbn = {3-11-017102-3}, doi = {10.1515/9783110622669-005}, series = {Jahrbuch / Institut f{\"u}r Deutsche Sprache}, number = {- 2000}, pages = {59 -- 88}, year = {2019}, abstract = {In bewusstseinseigener Perspektive gegenw{\"a}rtiger Sprecher des Standarddeutschen geh{\"o}ren Fremdwort und Fremdw{\"o}rterbuch zusammen. Es besteht daher die M{\"o}glichkeit, dass Konnotationen, die mit der Bezeichnung der Wortklasse verbunden sind, auch an die W{\"o}rterbuchtypenbezeichnung gekn{\"u}pft sind. Fremdwort ist seit 1816 ein Kampfwort und entstammt dem radikalen fremdwortpuristisch-nationalistischen Diskurs; es ist mithin f{\"u}r viele negativ konnotiert. Fremdw{\"o}rterbuch ist seit 1817 belegt und hat an diesen Konnotationen Anteil. Fremdw{\"o}rterb{\"u}cher werden daher auch h{\"a}ufig als B{\"u}cher eingesch{\"a}tzt, um den Fremdwortgebrauch zu vermeiden. Dies ist beim bisherigen wissenschaftlichen Gebrauch von Fremdw{\"o}rterbuch und Fremdwortlexikographie nicht angemessen ber{\"u}cksichtigt worden. Vielmehr ist unter dem Dach dieser beiden Bezeichnungen falschlich eine unangemessene historische Kontinuit{\"a}t konstruiert worden, die bei Simon Roths „Dictionarius" von 1571 beginnt und weitere W{\"o}rterb{\"u}cher schwerer fremder W{\"o}rter mit legitimen nichtpuristischen genuinen Zwecken ebenso einschließt wie die radikalen fremdwortpuristischen Machwerke. Um diese Geschichtsklitterung durch metalexikographische Gedankenlosigkeit zu beenden, wird anhand der Einf{\"u}hrung einer Typologie von Sprachkontaktw{\"o}rterb{\"u}chem eine Terminologie entwickelt, die gen{\"u}gend differenziert ist, um der historischen und systematischen Vielfalt der passiven polylateralen Sprachkontaktw{\"o}rterb{\"u}cher des Deutschen gerecht zu werden. Deutschland ist nicht das Land der Fremdw{\"o}rterb{\"u}cher, sondern das Land mit den meisten Sprachkontaktw{\"o}rterb{\"u}chern und nur einige davon sind puristische Fremdw{\"o}rterb{\"u}cher. - Die nichtpuristischen Fremdw{\"o}rterb{\"u}cher erfassen nicht im objektivistischen, empiristischen und positivistischen Sinn die „Sprachwirklichkeit", da jedes Individuum seine eigene „Sprachwirklichkeit" hat. Die gesamten lexikographischen Methoden (ausgenommen in der Textlexikographie) sind so, dass die Sprachwirklichkeit nicht ins W{\"o}rterbuch gelangt. W{\"o}rterb{\"u}cher sind vielmehr dazu gemacht, den jeweiligen Sprachwirklichkeitszustand eines Benutzers-in-actu anhand einer Suchfrage in einen anderen zu {\"u}berf{\"u}hren. - F{\"u}r die makrostrukturelle Abdeckung von Fremdw{\"o}rterb{\"u}chern, zu der drei Hypothesen aufgestellt werden, gilt die Faustregel: Je gr{\"o}ßer sie ist, um so ferner ist ein Fremdw{\"o}rterbuch von der individuellen Sprachwirklichkeit seiner potentiellen Benutzer und um so gr{\"o}ßer ist die Chance des Benutzers-inactu, das Lemma zu finden, das er sucht. - Das Schema-F-Format hochverdichteter stark standardisierter Fremdw{\"o}rterbuchartikel ist kaum geeignet, um die interessanteren Fremdw{\"o}rter angemessen lexikographisch zu bearbeiten. Vielmehr sind spezielle lexikographische Kommentare erforderlich. FREMDWORT, vox peregrina FREMDW{\"O}RTERBUCH, n. ARMEE,/ it. armata, sp. armada, ein mit dem feind {\"u}berall vorgedrun­genes, v{\"o}llig entbehrliches wort, das unsere sprache l{\"a}ngst mit heer und haufen h{\"a}tte zur{\"u}ckschlagen sollen. (Aus dem DWB, dem „Findebuch des deutschen Geistes" [Krohn 1984]) „Nicht mehr gefremdw{\"o}rtelt wird in Deutschland, sondern gewelscht, das heißt: die deutsche Bildungswelt, und ihr nach­ eifernd die der Ungebildeten, redet eine grauenvolle besondere Sprache, die ich Welsch nenne." (Eduard Engel 1917, 15) Dem Kampf gegen das Welsche scheint eine heimliche Sympathie f{\"u}r das Kauderwelsche zugrundezuliegen. (Karl Kraus, Nachts)}, subject = {Deutsch}, language = {de} }