@incollection{Stoetzel2019, author = {Georg St{\"o}tzel}, title = {Geschichtliche Selbstinterpretation im {\"o}ffentlichen Sprachgebrauch seit 1945. Der Befreiungsdiskurs zum 8. Mai}, series = {Das 20. Jahrhundert. Sprachgeschichte - Zeitgeschichte}, editor = {Heidrun K{\"a}mper and Hartmut Schmidt}, publisher = {de Gruyter}, address = {Berlin [u.a.]}, isbn = {3-11-016156-7}, doi = {10.1515/9783110622638-013}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:mh39-89699}, pages = {250 -- 274}, year = {2019}, abstract = {In den Jahren 1985 bis 1995 hat in der Bundesrepublik Deutschland ein intensiver geschichtlicher Selbstdeutungsdiskurs stattgefunden, dessen Besonderheit darin besteht, da{\"s} es sich gr{\"o}{\"s}tenteils um einen staatlichen Selbstverst{\"a}ndigungsproze{\"s} handelt, dessen Wurzeln sozusagen bis in die Embryonalphase der zweiten deutschen Republik zur{\"u}ckreichen. Es ging um das Verh{\"a}ltnis der Deutschen zum Nationalsozialismus und seinen bzw. ihren Verbrechen und um ihr Verh{\"a}ltnis zur geschichtlichen Z{\"a}sur vom 8. Mai 1945. Der Vortrag zeigt die wesentlichen Stationen des bereits 1945 einsetzenden Diskurses, in dessen Zentrum die Frage steht, ob sich Deutsche als Opfer des „Hitler-Terrorismus\", d.h. von vornherein am 8. Mai 1945 als „Befreite“ f{\"u}hlen oder interpretieren durften (wie es in der SBZ geschah), oder ob sie wegen ihrer Mitschuld (bzw. Kollektivschuld) als „besiegtes Volk\", das eine „Niederlage\" erlitten hatte, zu gelten hatten. Die Analyse zeigt die Diskrepanz von subjektiven Erlebniskategorien und politischen Interpretationen im Hinblick auf den 8. Mai 1945. Anhand der {\"o}ffentlichen Interpretationen dieses Datums an den jeweiligen Jahrestagen ab 1955 wird versucht, den westdeutschen politischen Lernproze{\"s} nachzuzeichnen, demzufolge sich die Deutschen angesichts ihrer Mitschuld am Nationalsozialismus nach dem 8. Mai 1945 als von au{\"s}en Befreite verstehen durften und d{\"u}rfen. Der oft verk{\"u}rzte, als 'Streit {\"u}ber Befreiung oder Niederlage' wahrgenommene Diskurs ist situiert in einem Netz geschichtsdeutender Selbstinterpretationen, in dem es u. a. um Vokabeln wie 'Machtergreifung', 'Macht{\"u}bernahme', 'Macht{\"u}bergabe'; 'Kollektivschuld', 'Schuld', 'Mitschuld'; 'Reichskristallnacht', 'Reichspogromnacht', 'Pogromnacht'; 'Drittes Reich' und 'Viertes Reich'; 'Invasion' oder 'Landung der Alliierten' geht. Der Vortrag zeigt, wie sich in {\"o}ffentlichen, zumal in staatlichen Diskursen {\"u}ber geschichtsinterpretierende Vokabeln die Kontroversen und sich wandelnden Bewertungen und Einstellungen zu unserer eigenen Geschichte artikulieren, wie also mit der {\"o}ffentlichen Durchsetzung lexikalisch ‘autorisierter' Geschichten eine Herstellung und Modifikation unserer eigenen Geschichte einhergeht.}, language = {de} }