@incollection{Durrell2018, author = {Martin Durrell}, title = {Mit der Sprache ging es immer schon bergab. Dynamik, Wandel und Variation aus sprachhistorischer Perspektive}, series = {Sprachverfall? Dynamik - Wandel - Variation}, editor = {Albrecht Plewnia and Andreas Witt}, publisher = {de Gruyter}, address = {Berlin [u.a.]}, doi = {10.1515/9783110343007.11}, pages = {11 -- 31}, year = {2018}, abstract = {Die Vorstellung eines Verfalls der deutschen Sprache l{\"a}sst sich mindestens bis in das 16. Jahrhundert zur{\"u}ckverfolgen, als Schulmeister sich beschwert haben, dass ihre Sch{\"u}ler wegen der um sich greifenden Variation nicht mehr w{\"u}ssten, was korrektes Deutsch sei. {\"A}hnliche Vorstellungen treten etwa gleichzeitig in anderen europ{\"a}ischen L{\"a}ndern auf und k{\"o}nnen vielleicht mit dem langsamen Ersatz des Lateins als vorherrschender Sprache des Schrifttums und der Bildung in Zusammenhang gebracht werden. Sie beruhen auf verbreiteten irrt{\"u}mlichen Annahmen {\"u}ber das Wesen der Sprache, insbesondere dass die zugrundeliegende Form jeder Sprache homogen und unwandelbar sei und seit sehr langem — eventuell seit Babel — so existiert habe. Diese Annahmen muss man mit Watts (2011) als Mythen werten, sie sind jedoch sehr beharrlich, und in der fr{\"u}hen Neuzeit dienten sie als Grundlage f{\"u}r die Erschaffung der heutigen deutschen Standardsprache, die aus diesem Grunde genauso wie alle anderen europ{\"a}ischen Kultur- oder Standardsprachen eigentlich als ein rezentes kulturelles Artefakt anzusehen ist. In diesem Beitrag wird anhand von Material aus einem neuen elektronischen Korpus der deutschen Sprache des 17. und 18. Jahrhunderts gezeigt, wie die Standardsprache entstanden ist als Ergebnis dieser Annahmen sowie aus der Vorstellung, nur auf diese Weise sei die deutsche Sprache vor dem endg{\"u}ltigen Verfall zu retten. Im Laufe dieses Vorgangs wurde wo m{\"o}glich jede Variation aus der Schriftsprache eliminiert und dabei auch sprachliche Varianten stigmatisiert, die heute noch h{\"a}ufig sind, auch wenn sie als „substandard“, „nicht korrekt“ oder „nicht hochsprachlich“ gelten. Auch wurden Regeln des „guten“ hochdeutschen Sprachgebrauchs festgelegt (oder erdacht), die Muttersprachler im spontanen Gespr{\"a}ch immer noch kaum beachten. Aber die Sprachgeschichte lehrt, dass Variation und Wandel nicht zum Verfall der Sprache f{\"u}hren, sondern die dynamische Flexibilit{\"a}t gew{\"a}hrleisten, die f{\"u}r die Sprache n{\"o}tig ist, wenn sie allen sozial und kulturell erforderlichen Bed{\"u}rfnissen der menschlichen Kommunikation gerecht werden muss.}, language = {de} }