@incollection{Bredel2018, author = {Ursula Bredel}, title = {Silben und F{\"u}{\"s}e im Deutschen und T{\"u}rkischen - Orthographieerwerb des Deutschen durch t{\"u}rkischsprachige Lerner/innen}, series = {Das Deutsch der Migranten}, publisher = {de Gruyter}, address = {Berlin [u.a.]}, doi = {10.1515/9783110307894.369}, pages = {369 -- 390}, year = {2018}, abstract = {Eine wichtige und h{\"a}ufig untersch{\"a}tzte Aufgabe beim Erwerb einer zweiten Sprache ist es, sich die rhythmisch-prosodischen Muster der Zielsprache anzueignen (Kaltenbacher 1998; Gut/Trouvin/Barry 2007; Rautenberg 2012). Wie erfolgreich Lerner/innen dabei sind, ist auch davon abh{\"a}ngig, ob sie analoge Muster in ihrer Ausgangssprache vorfinden und damit bereits f{\"u}r eine zielsprachennahe Rhythmus- und Akzentwahrnehmung sensibilisiert sind. Liegen solche analogen Muster nicht vor, ist es Aufgabe von Lehrprogrammen, die Rhythmus- und Akzentstrukturen als relevante Lernhilfen sichtbar zu machen. Soweit ich sehe, liegen hier bislang kaum zielf{\"u}hrende Konzepte vor (so auch Richter 2008). Findet der Zweitspracherwerb in der Grundschule statt, ist sogar das Gegenteil der Fall. Denn im Schriftspracherwerb, der den weitaus intensivsten Teil des Deutschunterrichts der Grundschule ausmacht, werden die Kinder mit noch genauer zu beschreibenden Schreib- und Lese-Lern-Verfahren auf die phonologische Segmentstruktur festgelegt; Rhythmus und Akzent werden nivelliert bzw., wie zu zeigen sein wird, f{\"u}r andere Arbeitsaufgaben funktionalisiert, so dass eine zielsprachennahe Orientierung an rhythmisch-prosodischen Strukturen tendenziell blockiert wird. Das hat Auswirkungen nicht nur auf den Erwerb der gesprochenen Sprache, sondern auch auf den Schriftspracherwerb selbst. Denn die Schrift buchstabiert nicht einfach Lautketten aus, sondern ist selbst rhythmus-sensitiv. Verschriftet werden neben segmentalen Lauteigenschaften, Silben- und Akzentmuster, morphologische und syntaktische Strukturen. Eine einseitige Fixierung der Kinder auf die lautlich-segmentale Seite der Schrift f{\"u}hrt nicht nur zu einer vereinseitigten Schrifttheorie, sondern zugleich dazu, dass weitere strukturelle Eigenschaften, darunter Silben- und Akzentmuster, weder in den Aufmerksamkeitsfokus der Kinder gelangen noch f{\"u}r das Schreiben und Lesen genutzt werden k{\"o}nnen. Wie u.a. Ashby (2006) gezeigt hat, ist aber gerade die Realisierung der prosodisch-rhythmischen Struktur eine wesentliche Komponente f{\"u}r die Lesefl{\"u}ssigkeit. Im vorliegenden Beitrag geht es nach einem Abriss {\"u}ber herk{\"o}mmliche, im Erstunterricht zugrundegelegte Schriftspracherwerbsmodelle und ihre Folgen f{\"u}r die Sprachwahrnehmung um die Rekonstruktion der Wortschreibung des Deutschen; gezeigt wird, wie phonographische, silbische, prosodische und morphologische Eigenschaften im Kernwortschatz miteinander interagieren, um eine regul{\"a}re Wortschreibung zu erzeugen. Eine Gegen{\"u}berstellung des Deutschen und des T{\"u}rkischen wird zeigen, dass sowohl in Bezug auf die Akzent- als auch in Bezug auf die Rhythmusstrukturen relevante Unterschiede bestehen, die bei Kindern mit T{\"u}rkisch als erster Sprache zu Problemen beim Zugriff auf die f{\"u}r die Verschriftung deutscher W{\"o}rter wichtigen prosodischen Strukturen f{\"u}hren k{\"o}nnen, die durch fehlgehende Lehr-Lernprogramme weiter versch{\"a}rft werden. Zuletzt werden neuere Modelle des Schriftspracherwerbs vorgestellt, die es auf der Grundlage einer ausgebauten Schrifttheorie erlauben, den Lerner/innen von Beginn an einen Zugriff auf diejenigen Einheiten zu erm{\"o}glichen, die Fixpunkte f{\"u}r das geschriebene und f{\"u}r das gesprochene Deutsch darstellen.}, language = {de} }