@incollection{Schmidt2018, author = {J{\"u}rgen Erich Schmidt}, title = {Die deutsche Standardsprache: eine Variet{\"a}t - drei Oralisierungsnormen}, series = {Standardvariation. Wie viel Variation vertr{\"a}gt die deutsche Sprache?}, editor = {Ludwig Eichinger}, publisher = {de Gruyter}, address = {Berlin [u.a.]}, doi = {10.1515/9783110193985.278}, pages = {279 -- 305}, year = {2018}, abstract = {Die zentrale Frage der Jahrestagung „Wie viel Variation vertr{\"a}gt die deutsche Standardsprache?“ wird anhand zweier enger gefasster Fragen behandelt. Die erste lautet: „Wo ist linguistisch die Grenze der Standardsprechsprache anzusetzen?“ Die zweite lautet: „Bis zu welchem Grad der Abweichung von der kodifizierten Norm beurteilen naive H{\"o}rer regionale Varianten noch als standardsprachlich?“ Die erste Frage wird im Rahmen der Theorie der Sprachdynamik expliziert und beantwortet. Konstitutiv f{\"u}r das interaktiv-kognitive System ‚Sprache‘ sind die Dimensionen ‚Zeitlichkeit‘ und ,Raum‘. Jede sprachliche Interaktion vollzieht sich in der Zeit, zeitlich determiniert sind die kognitiven Reflexe der sprachlichen Interaktionen und die interindividuelle Abstimmung des sprachlichen Wissens und der sprachlichen Konventionen. Die jeweilige Verfasstheit einer Einzelsprache und ihrer Standardvariet{\"a}t ergibt sich aus dem Nebeneinander von areal determinierten Mesosynchronisierungen, in denen Individuen ihr sprachliches Wissen in Situationen personellen Kontaktes abstimmen, und von Makrosynchronisierungen, mit denen sich die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft unabh{\"a}ngig vom personellen Kontakt an einer gemeinsamen Norm ausrichten. Die zun{\"a}chst gro{\"s}landschaftlichen Oralisierungsnormen (entstanden um 1700) der einen literalen Standardvariet{\"a}t unterliegen seit 70 Jahren einem massiven Umwertungsprozess. In dem Ma{\"s}e, in dem die durch die m{\"u}ndlichen Massenmedien verbreiteten neuen nationalen Oralisierungsnormen des Deutschen kommunikative Pr{\"a}senz erlangten, wurden die alten Prestigesprechlagen als regional begrenzt wahrgenommen und zunehmend in einem landschaftlich sehr differenziert verlaufenden Prozess abgewertet. In dem heutigen Kontinuum der verschiedenen an der literalen Norm ausgerichteten Sprechlagen kann unter R{\"u}ckgriff auf den kognitiv fundierten Begriff der Vollvariet{\"a}t eine klare Abgrenzung von standardsprachlichen und nichtstandardsprachlichen Sprechlagen vorgenommen werden. Zur Beantwortung der zweiten Frage werden rezente empirische Studien vorgestellt, deren Datenbasis standardsprachlich intendierte {\"A}u{\"s}erungen ungeschulter Sprecher in authentischen Sprechsituationen sind. Die in den entsprechenden Sprachaufnahmen beobachteten Regionalismen wurden dabei 1. empirisch-linguistisch analysiert und 2. in Beurteilungstests durch naive H{\"o}rer auf ihre {\"U}bereinstimmung mit der Standardsprache hin bewertet. Das {\"u}berraschende Resultat: Die H{\"o}rerbeurteilungen in verschiedenen Regionen des Deutschen stimmen sehr weitgehend mit der theoretisch hergeleiteten Abgrenzung {\"u}berein. Zum Abschluss des Beitrages wird dann eine Bestimmung der Standardsprache und ihrer Oralisierungsnormen vorgenommen werden, die einerseits der konstitutiven Zeitlichkeit und R{\"a}umlichkeit einer jeden Sprache gerecht wird und dennoch eine klare Unterscheidung der Standardvariet{\"a}t von regionalsprachlichen Sprechlagen erlaubt.}, language = {de} }